: Michael Landau
: Solidarität Anstiftung zur Menschlichkeit
: Christian Brandstätter Verlag
: 9783710600586
: 1
: CHF 16.70
:
: Gesellschaft
: German
: 192
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Unsere Welt hat Risse bekommen. Sie dreht sich heute schneller als noch vor wenigen Jahren. Leid, Hunger, Kriege, Krisen - aber auch die Frage, was all diese Not mit uns selbst zu tun hat. In einer globalisierten Welt liegt Syrien im Vorgarten, die Ukraine in der Nachbarschaft, und das eigene Wohnzimmer teilt man sich mit mehr als einer Million armutsgefährdeter Österreicherinnen und Österreicher. Wie kann ich helfen, ohne zu verzagen? Woran kann ich in Zeiten glauben, in denen nicht nur Banken und ganze Staaten in der Krise stecken, sondern auch das Vertrauen darauf, dass eine bessere Welt möglich ist? Der Caritas-Präsident Michael Landau führt an die Ränder der Gesellschaft wie an die Ränder des Lebens. Er macht deutlich, worauf es in einer komplexer werdenden Welt ankommt: auf Solidarität, Mut und die Bereitschaft jeder und jedes Einzelnen, an einer gerechteren Welt mitzubauen. Denn der wahre Schlüssel zu einem geglückten Leben liegt nicht darin, sich nur um das eigene, sondern gerade auch um das Glück der anderen zu sorgen.

Michael Landau ist Naturwissenschaftler, katholischer Priester und Präsident der Caritas Österreich. Er glaubt unverbrüchlich daran, dass jeder Einzelne von uns die Kraft und den Mut haben kann, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.

SOLIDARITÄT


… oder warum wir eine Renaissance der Zivilgesellschaft brauchen.

Die Entscheidung, dieses Buch zu schreiben, fiel an einem Dienstag vor nicht allzu langer Zeit. Ich war in unserer Obdachloseneinrichtung Gruft in Wien, umgeben von knapp 200 Menschen, die für ein Abendessen anstanden. Auch wenn der Winter deutlich milder verlief als in den Jahren zuvor, reichte die Schlange vor der Essensausgabe bis in den Vorraum, den Gang entlang zurück bis zur Eingangstür. Menschen standen wie zuletzt an jedem Abend dicht an dicht, den Teller mit einer warmen Mahlzeit vor sich auf dem Fensterbrett. Einige saßen auf dem Boden, andere auf ihren mitgebrachten Taschen. Die Plätze an den Tischen waren längst vergeben. Eine, die seit Jahren immer wieder in die Gruft kommt, ist Johanna. Sie arbeitete lange als Reisebegleiterin und Stewardess. „Ich habe irgendwann den Halt verloren“, sagte die 54-Jährige einem unserer Mitarbeiter einmal. „Und wenn du einmal draußen bist, dann ist es irrsinnig schwer, wieder reinzukommen.“ Auch Johanna stand an diesem Abend in der Schlange um ein Essen an.

Ich durfte in den vergangenen 20 Jahren, seit ich für die Caritas tätig und im Einsatz bin, viele Menschen wie sie kennenlernen. Menschen, die ein Leben an den Rändern der Gesellschaft führen, oft auch an den Rändern des Lebens – in Mutter-Kind-Häusern in Linz, Graz oder in Wien. In Einrichtungen für drogenabhängige Menschen in Feldkirch oder Innsbruck. In