1. KAPITEL
„In einer Viertelstunde landen wir, Mr Kane.“ Der Pilot sah von den Kontrolllampen auf und drehte sich zu seinem Passagier um.
Mark legte die Papiere beiseite, in die er seit dem Abflug von Saint Thomas vertieft war. „In Ordnung, Joe. Vielen Dank.“
„Gern geschehen, Mr Kane“, erwiderte der dunkelhäutige Pilot. „Wenn das Wetter so bleibt, müsste es eigentlich noch so hell sein, dass Sie die Insel sehen können. Der Sturm, der angekündigt wurde, taucht wohl doch nicht auf.“
Mark zögerte einen Augenblick. Nachdenklich sah er die Dokumente neben sich an, entschloss sich dann aber doch, sie in die Tasche zu packen, die sein einziges Gepäck darstellte. Sorgfältig ließ er das Schloss zuschnappen, bevor er sich höflich erkundigte: „Haben Sie hier öfter Stürme?“
„Aber nein!“ Joe lachte leise. „Ein bisschen Regen, jede Menge Sonne und ab und zu mal ein kräftiges Lüftchen, damit die Hitze erträglich bleibt. Sie werden von der Insel begeistert sein, Mr Kane.“
„Ich glaube nicht, dass ich lange genug hier bin, um mir eine Meinung bilden zu können“, entgegnete Mark, während er auf das blaugrüne Meer hinuntersah, das wie ein Aquamarin funkelte und blitzte. „Wo werden wir landen? Gibt es einen Flughafen?“
„Mit dieser guten alten Zuckererbse platsche ich einfach in Charlotte’s Bay hinunter.“ Joe lachte und klopfte liebevoll auf das Leitwerk. „So ein Wasserflugzeug ist praktisch. Damit kann man auf dem Wasser landen und dann an Land fahren. Der alte Gantry hat sein Haus direkt an der Bucht gebaut. Auf diese Weise weiß Miss Lilian sofort Bescheid, wenn jemand kommt.“
Nachdenklich schaute Mark aus dem Fenster. Er konnte nur hoffen, dass Lilian das Telegramm ihres Vaters erhalten hatte. Falls sie mit seiner Ankunft nicht rechnete, würde alles noch schwieriger werden. Außerdem wusste sie ja gar nicht, was ihr Vater von ihr wollte.
Während er ein wenig ungeduldig die langen Beine ausstreckte, wünschte er sich wieder einmal, dass Andrew ihn nicht in seine Privatangelegenheiten hineingezogen hätte. Als persönlicher Assistent von Andrew Forsyth wusste Mark über alles, was bei der Leitung der Forsyth-Werke Tag für Tag anfiel, genauso gut oder sogar noch besser Bescheid als sein Arbeitgeber. Er konnte ihm jederzeit mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn es darum ging, das weitverzweigte Unternehmen noch weiter auszubauen. Aber dass er nun dessen zwanzigjährige Tochter dazu bringen sollte, nach London zurückzukehren, weil ihr Vater sie zu Hause haben wollte – das war eine völlig andere Aufgabe. Lilian Forsyth musste doch sofort Verdacht schöpfen, dass hinter dieser Aufforderung mehr steckte als nur väterliche Sehnsucht.
Jetzt war es zu spät, um noch so zu tun, als hege ihr Vater tiefere Gefühle für sie. Seit dem Tag ihrer Geburt – Mark konnte sich an diesen Tag noch gut erinnern – war sie für Andrew Forsyth nichts als eine lästige Bürde gewesen. Hinzu kam, dass sie ihn ständig an ihre Mutter erinnerte, deren Leben geopfert werden musste, um das Kind zu retten. Das hatte Andrew Forsyth seiner Tochter nie verziehen.
Damals war Mark natürlich noch nicht Andrews Assistent gewesen. Er war gerade in die Firma eingetreten, ein blutjunger Angestellter, frisch von der Universität, mit einem ausgezeichneten Examen in Jura und Wirtschaftswissenschaften,