Wissenschaft, Glaube
und der Sinn hinter den Dingen
Alister McGrath
Alister McGrath wurde in Belfast geboren und war überzeugter Atheist, bis er sein Universitätsstudium begann. Er studierte Chemie in Oxford und promovierte in Biochemie, bevor er zur Theologie wechselte und auch in diesem Fach promoviert wurde. Von 1995 bis 2005 war er Direktor der Wycliffe Hall an der Universität von Oxford; 2008 wechselte er von einem Lehrstuhl in historischer Theologie an der Universität Oxford auf eine Professur für Theologie, Gemeindedienst und Erziehung am King’s College London. 2014 wurde er auf die Andreas-Idreos-Professur für Wissenschaft und Religion an der Universität Oxford berufen. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zum Verhältnis von Wissenschaft und christlichem Glauben, zu denen auch zwei viel beachtete Erwiderungen auf die Ideen von Richard Dawkins gehören.1
„Wahre Wissenschaftler glauben nicht an Gott!“ Diese Parole wird jedem bedrückend vertraut sein, der sich mit den endlosen Exkursen, Übertreibungen und Missverständnissen auseinandergesetzt hat, die sich in Richard Dawkins’Der Gotteswahn finden. Hinter diesem Satz steht eine Sichtweise, die nur durch den schonungslosen Einsatz selektiver Wahrnehmung und überladener Überrumpelungsrhetorik aufrechterhalten werden kann, die aber nicht auf einer auf wissenschaftlichen Belegen gründenden Argumentation beruht. Dennoch ist es eine Sicht der Dinge, die anscheinend viele in der westlichen Kultur als der Weisheit letzter Schluss anzunehmen bereit sind. Schon Karl Marx wies darauf hin, dass die beständige Wiederholung dessen, was grundsätzlich unwahr ist, den Eindruck erzeugt, dass es vertrauenswürdig und verlässlich sei.
Dawkins hält es für eine selbstevidente Wahrheit, dass die Naturwissenschaften wesensmäßig atheistisch sind – eine Wahrheit, die alle akzeptieren, außer jenen, die von Natur aus Idioten sind oder deren Verstand von der irrigen Vorstellung befallen ist, dass ein Gott existiere, der an uns und unserem Wohlergehen interessiert sei. Das mag uns vielleicht helfen, seine Wut, Intoleranz und Arroganz zu verstehen, die er dem hartnäckigen – manche würden sagen „wieder auflebenden“ – Gottesglauben entgegensetzt, dessen unabwendbares Ableben die säkularen Propheten der späten 1960er- und frühen 1970er-Jahre vorausgesagt hatten.
Dawkins ist zurückhaltend, was autobiografische Einzelheiten angeht. Wenn ich jedoch die Schilderung seiner Hinkehr zum Atheismus recht verstanden habe, war das entscheidende Element dieses Prozesses die wachsende Überzeugung, dass der Darwinismus das Wesen der Welt weit besser erklärt als irgendeine der Weltsichten, die sich auf einen Gott berufen. Dawkins Entdeckung des Darwinismus begann während seiner Zeit als Schüler an der Oundle School und festigte sich während seines Studiums der Zoologie an der Oxford University. Die Naturwissenschaften wirkten somit als Katalysator bei seiner Abwendung von einem ohnehin nur nominellen und blutleeren anglikanischen Glauben.
Nun sind wir alle geneigt, unsere persönliche Geschichte so zu betrachten, als enthülle sie ein umfassenderes Muster der Dinge oder die tiefere Struktur der Wirklichkeit. Glaubensvorstellungen, die wir persönlich für überzeugend halten, müssen demnach auch für alle anderen überzeugend sein. Es überrascht nicht, dass jene, die nicht in dieses Muster passen, für gefährlich gehalten werden. Man neigt dazu, sie als Spinner, Idioten oder Irre abzutun. Warum ist das so? – Weil derjenige, der die vereinfachenden Glaubensvorstellungen nicht anerkennen will, eine Bedrohung für sie darstellt. Denn was Dawkins als allgemeingültiges, maßgebliches Muster