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Es schneite.
Eben noch waren zwischen den Wolken hindurch ein paar spärliche Sonnenstrahlen auf die steinige Flussniederung gefallen, doch gegen Abend verdüsterte sich der Himmel und es wurde mit einem Mal still. Einzelne Schneeflocken schwebten zu Boden. Sie streiften den Kittel des Samurais, der zusammen mit seinen Leuten in der Niederung Holz schlug, legten sich auf Gesichter und Hände und schwanden, als wollten sie von der Unbeständigkeit des Lebens künden. Schweigend schwangen die Männer ihre Äxte. Der Schnee begann immer stärker zu wirbeln, mischte sich mit dem aufsteigenden Abendnebel und verwandelte alles in dichtes Grau.
Der Samurai und seine Leute beendeten ihre Arbeit und luden sich die Holzbündel auf den Rücken. Sie brauchten Feuerung für den nahenden Winter. Schnee klebte ihnen an der Stirn, als sie wie ein Ameisenzug am Fluss entlang ihren Behausungen zustrebten.
Am Rande der von laubkahlen Hügeln umschlossenen Ebene lagen drei kleine Dörfer. Unmittelbar hinter den Häusern stiegen die Hänge steil an und vor ihnen dehnten sich die Felder, sodass man schon von drinnen jeden Fremden, der ins Tal kam, erspähen konnte. Die strohgedeckten Häuser standen dicht beieinander, als wären sie zusammengeschoben. Unter den Dächern spannten sich Gestelle aus Bambus, in denen Brennholz und Schilfgras trockneten. In den Häusern war es dunkel und stickig wie in Viehställen.
Der Samurai wusste um alles in den drei Dörfern. Sie und das dazugehörige Land waren seiner Familie zu Zeiten seines Vaters vom Fürsten als Lehen übertragen worden. Jetzt fiel es ihm als dem Erben zu, eine bestimmte Zahl von Bauern zu stellen, wenn der Befehl zum Frondienst erging, oder, wenn ein Krieg ausbrach, mit Bewaffneten zum Sitz seines Landvogts, des Edlen Herrn Ishida aus dem Ältestenrat, zu eilen.
Das Anwesen des Samurais machte zwar einen stattlicheren Eindruck als die Behausungen der Bauern, dennoch war es lediglich eine Zusammenballung strohgedeckter Gebäude. Eigentlich unterschied es sich von den Bauernhöfen nur dadurch, dass es mehrere Scheunen und einen größeren Pferdestall hatte und von einem Erdwall umschlossen war. Richtig befestigt aber war es trotz dieser Einfriedung nicht. Auf einer Kuppe am Nordrand des Tals standen noch die Ruinen der Feste jenes Samurais, der einmal diese Gegend beherrscht hatte, bevor der Fürst ihn vernichtet hatte. Doch jetzt, da überall in Japan die Fehden beendet waren und der Fürst einer der mächtigsten Landesherren des Nordens geworden war, brauchte keine Samuraifamilie ihren Wohnsitz mehr zu befestigen. Den Standesunterschied gab es zwar nach wie vor, aber der Samurai arbeitete gemeinsam mit seinen Leuten auf den Feldern und brannte zusammen mit ihnen Holzkohle in den Bergen. Und seine Frau sah, wie die anderen Frauen auch, nach den Rindern und Pferden. Die Abgaben, die von den drei Dörfern jährlich an den Fürsten zu entrichten waren, beliefen sich auf insgesamt fünfundsechzig Kan, sechzig für die Reisfelder und fünf für das übrige Land. Der Schneefall verdichtete sich zum Gestöber. Die Fußspuren des Samurais und seiner Leute hinterließen auf dem langen Pfad dunkle Flecken. Ohne ein überflüssiges Wort zogen die Männer gleich friedfertigen Rindern ihres Weges. Als sie sich der kleinen Brücke, genannt »Zu den zwei Tannen«, näherten, sah der Samurai dort Yozo wie eine Buddha-Statue stehen. Auch sein Haar war weiß vom Schnee.
»Euer Onkel ist gekommen.«
Der Samurai nickte und ließ das Holzbündel von den Schultern vor Yozos Füße gleiten. Wie den Bauern haftete dem Samurai der Geruch von Erde an. Er hatte die gleichen eingesunkenen Augen und hervorstehenden Wangenknochen wie sie. Und genauso wie sie sprach er wenig und zeigte selten seine Gefühle. Obw