: Noam Chomsky
: Was für Lebewesen sind wir?
: Suhrkamp
: 9783518748282
: 1
: CHF 32.00
:
: 20. und 21. Jahrhundert
: German
: 248
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Noam Chomsky gilt als der Begründer der modernen Linguistik und als einer der Gründerväter der Kognitionswissenschaften. Zugleich ist er einer der meistgelesenen politischen Denker der Welt. Dieses Buch ist die philosophische Summe seines Lebens: Erstmals führt er alle seine großen Themen zusammen und begibt sich auf die Suche nach dem Wesen des Menschen. Chomsky nimmt seinen Ausgang bei der Sprache. Diese ist für ihn ein angeborener Mechanismus, der ein keineswegs zwingendes Muster aufweist und unser Denken bestimmt. Wir alle denken gemäß diesem Muster - und daher können wir auch nur das wissen, was die menschliche Sprache zu denken erlaubt. Einige Geheimisse der Natur könnten uns deshalb für immer verborgen bleiben. Zugleich eröffnet die Sprache aber eine kreative Freiheit; uns ist ein Freiheitsinstinkt gegeben, der uns gegen Herrschaft aufbegehren und eine freie Entfaltung suchen lässt. In der libertären Tradition von Wilhelm von Humboldt, John Stuart Mill und Rudolf Rocker zeichnet uns Chomsky als anarchische Lebewesen, die nach einer Assoziation freier Menschen streben.

<p>Noam Chomsky, geboren 1928, ist emeritierter Professor für Linguistik und Philosophie am Massachusetts Institute of Technology. Er ist Träger zahlreicher Ehrendoktorwürden und Auszeichnungen wie dem Kyoto-Preis und der Helmholtz-Medaille.</p>

Akeel Bilgrami
 
Vorwort


Dieses Buch präsentiert das Ergebnis des lebenslangen Nachdenkens eines Sprachwissenschaftlers über die weiteren Auswirkungen seiner wissenschaftlichen Arbeit. Der Titel dieses Bandes,Was für Lebewesen sind wir?, vermittelt bereits, wie weitreichend diese Folgen tatsächlich sein könnten. Sie umfassen ein beeindruckendes Spektrum von Gebieten: theoretische Linguistik, Kognitionswissenschaft, Wissenschaftsphilosophie, Geschichte der Wissenschaft, evolutionäre Biologie, Metaphysik, Erkenntnistheorie, die Philosophie von Sprache und Geist, politische und Moralphilosophie und, andeutungsweise, sogar das Ideal einer humanen Bildung und Erziehung.

Kapitel 1 legt klar und präzise Noam Chomskys eigene grundlegende Ideen im Bereich der theoretischen Linguistik und der Kognitionswissenschaft dar, beides Felder, in denen er eine absolut zentrale Gründerrolle gespielt hat. Dabei zeichnet Chomsky die Fortschritte auf, die im Lauf der Jahre erreicht wurden, aber richtet unsere Aufmerksamkeit noch viel mehr darauf, wie vorläufig alle Behauptungen über Fortschritte geäußert werden müssen, da selbst in den grundlegendsten Forschungsbereichen noch sehr viel Arbeit zu tun bleibt. Außerdem berichtet er von Veränderungen der Perspektive, von denen einige der bedeutendsten erst im Lauf der letzten zehn Jahre stattfanden.

Das Kapitel beginnt mit der Motivierung der Frage, die mit dem Titel, »Was ist Sprache?«, angesprochen ist. Wir müssen diese Frage stellen, denn ohne Klarheit darüber zu gewinnen, was Sprache ist, werden wir nicht nur unfähig sein, die richtigen Antworten auf andere Fragen zu diversen spezifischen Aspekten der Sprache zu finden (und diese spezifischen Fragen vielleicht sogar richtig zu stellen), sondern wir werden uns auch der Untersuchung der biologischen Basis und der evolutionären Ursprünge der Sprache nie nähern oder auch nur plausibel darüber spekulieren können.

Schon eine Tradition, die auf Galileo und Descartes zurückgeht, erkannte das grundlegendste Merkmal der Sprache, das dann in deutlichster Form durch Humboldt artikuliert wurde: Die Sprache »stehe ›eigentlich einem unendlichen und wahrhaft unbegrenzten Gebiete, dem Inbegriff alles Denkbaren gegenüber. Sie muß daher von endlichen Mitteln einen unendlichen Gebrauch machen, und vermag dies durch die Identität der gedanken- und spracherzeugenden Kraft.‹«[1] Auch Darwin wird zitiert, der dies im Kontext von Fragen zur Sprachevolution auf elementarere Weise wiederholt: »[V]on den Tieren unterscheide[t] sich der Mensch bloß durch seine [fast] unendlich größere Fähigkeit, die verschiedenartigsten Laute und Ideen zu assoziieren.« Notieren wir, dass Humboldt und Darwin hier auf drei grundlegende Merkmale der Sprache hinweisen. Erstens, die Behauptung einer auf einer endlichen Basis beruhenden unendlichen Fähigkeit, zweitens, die Verbindung von Ideen mit Lauten, und drittens, die Beziehung zwischen Sprache und Denken. Sie alle gehen ein in das, was Chomsky gleich eingangs zur Grundeigenschaft der Sprache erklärt: »Jede Sprache stellt ein unbegrenztes Spektrum hierarchisch strukturierter Ausdrücke zur Verfügung, die an zwei Schnittstellen interpretiert werden: einer sensomotorischen für die Externalisierung und einer konzeptuell-intentionalen für geistige Prozesse.« Mit dem hierarchisch-strukturellen Element ist hier das erste, mit der sensomotorischen Schnittstelle das zweite und mit der konzeptuell-intentionalen Schnittstelle das dritte Merkmal angesprochen.

Was diese Grundeigenschaft möglich mac