»Noch ein Weißes?«, fragte die Kronenwirtin freundlich, als Michael Amend das Mittagessen beendet hatte und den Teller zurückschob.
»Nein, eins ist genug. Aber die Knödel mit dem Kraut waren ganz ausgezeichnet, so gut hat es mir noch nirgends geschmeckt. Sicher ist das Rezept ein sorgsam gehütetes Familiengeheimnis«, erwiderte Michael.
Die behäbige Wirtin, die zwar schon weiße Haare, aber ein glattes, rosiges Gesicht hatte, was sie sehr jugendlich wirken ließ, lachte auf. »Ganz so arg ist es net. Aber ich hab halt noch richtig kochen gelernt unter der strengen Aufsicht meiner Mutter.«
»Die war sicher Köchin von Beruf.«
»Aber nein. Früher war’s halt selbstverständlich, dass die Madeln bereits als Kind am Herd stehen mussten. Aber jetzt zu Ihnen, haben Sie sich schon das Schulhaus mit der Wohnung angesehen?«
»Ja, heut Morgen. Die Klassenzimmer sind ja einigermaßen in Ordnung, die Grundausstattung halt. Aber die Wohnung ist ein Graus. Dass da noch jemand drin gelebt hat, ist ja kaum zu glauben.«
»Ihr Vorgänger, der hier überall noch ›Schulmeister‹ genannt worden ist, war ein rechter Sonderling und hat sich im Schulhaus buchstäblich vergraben. Sie sind sicher etwas anderes gewohnt.«
»Nein, das ist es nicht. Die Wohnung ist vom Schimmelpilz befallen, und die Rohre sind auch nicht dicht. Im Grunde genommen sind die Räume bald völlig unbewohnbar, wenn die Gemeinde nichts dagegen unternimmt. Dort kann ich auf keinen Fall einziehen, das ganze Gebäude muss erst einmal grundsaniert werden.«
»Nun, hier können Sie weiter das Kammerl oben haben«, meinte die Kronenwirtin entgegenkommend.
»Das ist vorerst sehr hilfreich, aber auf die Dauer brauche ich meine eigenen vier Wände«, wandte Michael ein.
»Da hätt ich einen Vorschlag …«
Auf seine einladende Geste hin hatte die Wirtin ihm gegenüber Platz genommen. Der Gastraum hatte sich inzwischen geleert, und die Aushilfe war schon dabei, die Tische abzuräumen, sodass sie sich eine kurze Ruhepause gönnen konnte, bis die Vorbereitungen für das Abendessen anstanden.
»Oben auf dem Witwenhof ist grad mal wieder der Mieter ausgezogen. Es handelt sich um einen Anbau, ordentlich hergerichtet, der eigentlich als Austragshäusl gedacht war. Aber es ist halt alles anders gekommen. Wenn Ihnen zwei Zimmer mit Dusche reichen …«
»Ja, das wäre genau richtig. Es ist doch separat, oder?«, erkundigte er sich.
»Ja, natürlich. Sie sind dort völlig ungestört, und hinter der Scheune ist auch ein Stellplatz für Ihren Wagen.«
<