: Marcus Hernig
: China Ein Länderporträt
: Ch. Links Verlag
: 9783862843510
: Länderporträts
: 3
: CHF 8.80
:
: Asien
: German
: 216
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
China boomt. Manager, Existenzgründer, Studenten oder Praktikanten versuchen ihr Glück in der neuen Wirtschaftsmacht. Dabei ist es nicht einfach, sich in diesem Land zurechtzufinden.
Marcus Hernig schreibt von den Schwierigkeiten, in China Fuß zu fassen, und vom Glück, mit Chinesen zusammenzuleben. Aus langjähriger Erfahrung gibt er Einblicke in die wesentlichen Aspekte der chinesischen Kultur, Geschichte, Politik und Gesellschaft. Kenntnisreich vermittelt er so das Leben im heutigen China und kommt dabei ohne Stereotype und Superlative aus.

Marcus Hernig, geboren 1968, studierte Germanistik, Sinologie und Geschichte in Bochum und Nanjing. Er lebt bereits seit 1992 in China, seit 1998 in Shanghai, wo er zur Seidenstraße und den deutsch-chinesischen Beziehungen lehrt. Außerdem ist er tätig als Experte für die neue Seidenstraße bei Germany Trade and Invest (GTAI). Zuletzt erschien von ihmDie Renaissance der Seidenstraße. Der Weg des chinesischen Drachens ins Herz Europas(2018). In der Anderen Bibliothek veröffentlichte er 2012Eine Himmelsreise. China in sechs Gängen(Band 330, Extradruck im Juli 2022).

Laowai – Ausländer


Herr Wai kommt nach China


Sie ist nicht zu übersehen, die chinesische Nationalflagge gleich hinter den Einreiseschaltern im Terminal 2 des Shanghaier Flughafens Pudong. Vor einigen Jahren hing sie hier noch nicht, doch nun ziert das Fünf-Sterne-Banner die Rückwand vor der meist sehr junge blau-uniformierte Zollbeamte schnell und effizient Pässe kontrollieren und Visa abstempeln. An ihrem Schalter sind kleine Kästen angebracht, die mit Smiley-Buttons dazu auffordern, die Leistung des jeweiligen Schalterbeamten per Knopfdruck zu bewerten. Neues nationales Selbstbewusstsein, verbesserte Serviceleistungen und Emoji-Kultur gleich beim Grenzübertritt auf dem Flughafen. Drei Trends, die mir anzeigen, was China heute ausmacht und wohin der Weg weiter gehen wird.

Lächelnd gibt mir die sympathische Grenzwächterin das wichtige Eintrittsdokument zurück. Ich drücke den freundlichsten aller Smileys – große Zufriedenheit mit der Leistung. Nun ist mein Pass ordnungsgemäß rot gestempelt. Rot ist offiziell, verleiht jedem Dokument Gewicht und symbolisiert außerdem Glück. Ich atme auf, haste weiter zu den Gepäckbändern, die mir meine mitgebrachte Habe wiedergeben sollen. Auch das ist nach 15 weiteren Minuten erledigt. Nun liegt nur noch der Durchgang mit dem roten und dem grünen Ausgangsschild »declare goods« oder »nothing to declare« vor mir. Ich zögere kurz, schließlich sind drei Flaschen Wein und der heimische Schinken aus Westfalen im Gepäck. Standen da nicht eben zwei große Schilder, die das Mitführen von Lebensmitteln jeder Art verboten haben? Soll ich nachfragen? Das deutsche Gewissen regt sich, ich zögere. Doch alle anderen strömen wie selbstverständlich durch den grünen Durchgang, Menschen mit beachtlichen Gepäckmengen, meist Chinesen. Die müssen es wissen. Also einfach hinterher. Ich habe Glück. Vor mir schiebt ein heimkehrender Chinese einen mit drei Koffern und fünf Kartons hoch bepackten Trolley vor sich her. Prompt wird er herausgewunken und muss sein schweres Gepäck auf das Laufband des Scanners wuchten. Mich sehen die Flughafenzöllner nicht einmal an, als ich mit unsicherem Blick meinen einzigen schweren Koffer hinter mir herziehe. Sonst gibt es keine weiteren Kontrollen, und ein wenig bezweifle ich, ob die Zöllner wirklich interessiert, was die einreisenden Massen aus aller Welt so alles ins Land schleppen. Chinesen sind zu weltweit reisenden Top-Konsumenten geworden. Was sie aus dem Ausland mitbringen, ist enorm. Viele Fluggesellschaften haben auf den weltwirtschaftlich bedeutenden Shopping-Wahn der Chinesen im Ausland reagiert und ihre Freigepäckkontingente einfach verdoppelt. Nun bin ich durch: »Huanying nin dao Zhongguo lai, pengyou!« – »Willkommen in China, mein Freund!«

Beim Gang durch die weiten neu erbauten Hallen chinesischer Flughäfen wird dem Neuankömmling – oder dem China-Rückkehrer – schnell bewusst, was China heute sein will. Ein kompromisslos modernes Land der Superlative. Beim Bau des dritten Terminals des Hauptstadtflughafens Peking durfte sich der britische Architekt Norman Foster mit seinem Design im XXL-Format verwirklichen. Anfang der 1990er Jahre landete man noch auf einem ackerlandartigen Areal und wur