1.
Julian Tifflor
New York, 14. Juni 2051
Ich habe versagt.
Verzweifelt, machtlos und entsetzt. Nichts konnte er tun, um die Katastrophe aufzuhalten.
»Nein«, flüsterte Julian Tifflor, ohne dass er sich dessen bewusst war.
New York, 14. Juni 2051
Wer die Flutwelle kommen sah, flüchtete in Gebäude oder rannte Treppen hinauf, um die oberen Stockwerke zu erreichen. Für die meisten Menschen endete dieser Versuch tödlich. Denn das Wasser kam schnell, eroberte die tieferen Etagen in nicht mehr als drei hastigen Atemzügen. Für die mittleren Ebenen brauchte es etwas länger, und dennoch erwischte es viele gerade dort, wo sie nach Luft schnappten, weil sie dem Seitenstechen Tribut zollten oder der Raucherlunge.
Für diejenigen, die es bis auf die Dächer schafften, kam der Tod unerwartet, wenn das Gebäude unter ihnen einstürzte, weil es der Kraft der Flutwelle nicht standhielt. Kinetische Energie ist gleich halbe Masse mal Geschwindigkeit zum Quadrat. Diese einfache Formel bedeutete den Tod von Hunderttausenden.
Unzählige Tonnen Wasser rasten mit beinahe sechzig Stundenkilometern auf die Küstenlinie zu. Viele der älteren Häuser in Brooklyn und Queens stammten noch aus dem vergangenen Jahrtausend. Die Konstruktionen aus Backsteinen hatten nur dann eine Chance, wenn sie die Wucht der Überschwemmung nicht in der ersten Reihe abfangen mussten.
Mit der Gewalt einer übergroßen Abrissbirne schlug die Welle eine Schneise in die Stadtgebiete. Zahlreiche Häuserreihen wurden mitgerissen und erhöhten durch die mitgeführten Trümmer die Zerstörungskraft des Wassers. Autos, Busse, Fähren, Frachter, Schiffe, Bäume, Menschen, Tiere. Was auch immer im Weg stand oder an den Molen vor Anker lag, wurde mitgeschleppt. Es krachte und donnerte wie bei einem Gewitter. Hauseingänge wurden eingedrückt, die Fenster in den unteren Etagen brachen, wo das fließende Inferno nicht bereits das ganze Haus zertrümmerte.
Trotz der Antriebslosigkeit wegen des Cortico-Syndroms versuchten die Menschen mit aller verbliebenen Kraft, ihr Leben zu retten. Sie strampelten in den Fluten, klammerten sich an Bäume, Strommasten oder Straßenlaternen, bis ihr geschwächter Körper einfach aufgab und sie losließen. Die Katastrophe kam mit derartigem Getöse, dass die wenigen Schreie ungehört verklangen.
Auf Liberty Island versank die Freiheitsstatue unter dem Tsunami, nicht mal mehr der ausgestreckte Arm schaute über den Wasserspiegel hinaus. Die Verkörperung desLands of the free ertrug selbst dieses Ereignis in Würde. Tauchte im anschließenden Wellental wieder auf. Der Sockel nahm leichten Schaden, aber die Statue kam ohne größere Blessuren ans Tageslicht zurück.
Alle Menschen indes, die sich zu diesem Zeitpunkt auf dem vorgelagerten Eiland aufgehalten hatten, kamen unweigerlich ums Leben. Es waren bei Weitem nicht so viele wie zu Vor-Cortico-Zeiten, dennoch traf es mehrere Dutzend. Allerdings war dies nur ein Vorgeschmack dessen, was folgte, als die Flutwelle zunächst Lower Manhattan, dann die ganze Insel überflutete.
Der Hudson River wirkte wie ein Kanal, der die Geschwindigkeit der Welle maximierte. Mit mehr als achtzig