: Klaus Mall
: Psychologie und Psychiatrie kompakt Basiswissen für Pflege- und Gesundheitsberufe
: Hogrefe AG
: 9783456955766
: 1
: CHF 27.50
:
: Pflege
: German
: 400
: Wasserzeichen/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF
Warum tun Menschen das, was sie tun, und was geht dabei in ihnen vor? Zur Beantwortung dieser Frage wird psychologisches Wissen allgemeinverständlich dargestellt und angewandt auf alltägliche Pflegesituationen. Die wichtigsten psychiatrischen Krankheitsbilder werden in eindrücklichen Fällen geschildert und bezüglich Symptomen, Ursachen, Verlauf und Behandlung zusammengefasst. Besonderheiten psychischer Störungen im Alter werden ebenso behandelt wie Belastungen und Chancen in Pflegeberufen. Aus dem Inhalt Teil I: Psychologie•Lehre vom Verhalten und Erleben•Kognitive Prozesse: Wahrnehmung und Attribution•Lernprozesse bull;Motivation und Emotion•Kognitive Prozesse und Motivation•Soziale Prozesse•Stress und Umgang mit Belastungen Teil II: Psychiatrie•Diagnostik und Behandlung psychischer Störungen•Demenz und Delir•Affektive Störungen: Depression und Manie•Schizophrenie und Paranoia•Sucht•Neur tische und somatoforme Störungen
3 Lernprozesse (S. 71-72)

Zur Einordnung in das allgemeine Modell menschlichen Verhaltens, das in Abbildung 1-2 (s. S. 23) dargestellt wurde:

In diesem Kapitel geht es zuerst um Veränderungen im dunkelroten Kasten Bewertung, und zwar durch eigene Erfahrungen (hellroter Kasten darunter) in Form von Signal- oder Koppelungslernen: Klassisches Konditionieren (3.1.). Die Veränderungen im dunkelroten Kasten Erwartungen – durch Prozesse, welche im mittleren hellroten Kasten genannt sind – werden danach unter die Lupe genommen: Wie eigene Erfahrungen Erwartungen beeinflussen ist Thema des Kapitels «Lernen aus den Konsequenzen eigenen Verhaltens» (3.2.). Wie beobachtete Modelle Erwartungen entstehen lassen und verändern können ist Thema des Kapitels «Lernen am Modell» (3.3). Im Kapitel «Gedächtnis und Lernen lernen» (3.4) geht es um kognitive Lernprozesse, die mit Informationsaufnahme, Einprägen und Denken zu tun haben, also mit den Einflussgrößen Information und Denken im mittleren hellroten Kasten.

3.1 Signallernen oder Klassisches Konditionieren

3.1.1 Der «Pavlov’sche Hund»

An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert arbeitete ein russischer Mediziner namens Pavlov (s. Abbildung 3-1) in St. Petersburg an einer Serie von Experimenten zur Physiologie der Verdauung (Fragestellung der Physiologie: Was läuft normalerweise im gesunden Organismus ab). Für diese Versuche bekam er 1904 den Nobelpreis; dabei handelte es sich – rückblickend – eher um Vorarbeiten zu seiner bahnbrechenden Entdeckung von 1905.

Und so könnte er darauf gekommen sein: Nehmen wir an, Pavlov hat seine Experimente nicht nur am Schreibtisch geplant, er hat seine Hunde – das waren seine «Versuchspersonen » – auch nicht nur in der Experimentalstellage beobachtet. Eines Tages zur Fütterungszeit begleitet er den Hundepfleger auf dessen Rundgang. In einem großen Raum in mehreren Käfigen werden die Hunde «aufbewahrt». Der Hundepfleger stößt die Tür auf, schiebt den Karren mit den Futternäpfen hinein und wendet sich seinen Schützlingen mit freundlichen Worten zu. Pavlov steht dabei und beobachtet. Als Physiologe ist er Spezialist für Zusammenhänge zwischen Auslösern und Reaktionen. Z. B.: Kommt ein Fremdkörper – sprich: Futter – in den Mund, verstärkt sich der Speichelfluss. Damit beginnt die Verdauung.

Doch was beobachtet Pavlov? Die Näpfe stehen alle noch auf dem Karren, keiner der Hunde hat Futter im Maul. Dennoch: Bei allen läuft bereits der Speichel. Mit anderen Worten: Die Reaktion «läuft» schon, ehe der Auslöser vorhanden ist.

Wenn Sie einen Hund haben, werden Sie diesen Effekt kennen. Vielleicht haben Sie ihn auch an sich selbst beobachtet. Manche Menschen müssen gar nicht in eine Zitrone beißen, um Speichelfluss auszulösen, schon «wenn man etwas Gutes zu essen sieht, läuft einem das Wasser im Munde zusammen.»

Pavlov, der Naturwissenschaftler, gab sich nicht mit Alltagserfahrung und Sprüchen zufrieden. Und so mag er auf seine Idee gekommen sein: Immer zur selben Zeit – das wäre vielleicht gar nicht erforderlich – geht die Tür auf, stößt der Hundepfleger den Karren mit den Futternäpfen herein, fängt an mit den Tieren zu reden, schließt der Reihe nach die Käfige auf, schiebt die Töpfe hinein und die hungrigen Hunde stürzen sich aufs Futter. Am Ende dieser Kette ist also der Auslöser für die Speichelflussreaktion – Fremdkörper im Mund – vorhanden. Und dieser Ritus der Fütterung läuft Tag für Tag so ab.
Psychologie und Psychiatrie kompakt1
Inhaltsverzeichnis7
Danksagung13
Vorwort15
1 Lehre vom Verhalten und Erleben19
1.1 Gesundheit, Altwerden und psychische Verfassung21
1.2 Ein Modell menschlichen Entscheidungsverhaltens24
1.2.1 Was fu?r das Modell menschlichen Entscheidungsverhaltens gilt und was nicht26
1.2.2 Die «Entscheidungsmatrix» im Kopf und auf dem Papier30
1.2.3 Konflikte in Entscheidungssituationen32
1.3 Das Gehirn33
1.3.1 Das Großhirn34
1.3.2 Das limbische System36
1.4 Das vegetative oder autonome Nervensystem37
2 Kognitive Prozesse: Wahrnehmung und Attribution39
2.1 Beispiel: Sehen39
2.1.1 Die Sehbahn39
2.1.2 Strukturschema der Retina (Netzhaut)40
2.1.3 Zusammenwirken von Gehirnregionen bei der Gesichtswahrnehmung40
2.2 Faktoren die die Wahrnehmung beeinflussen42
2.2.1 Der Reiz und sein Umfeld42
2.2.2 Der Einfluss von Erwartungen46
2.2.3 Reiz, Umfeld und fru?here Erfahrung50
2.2.4 Attribution: «Kausalwahrnehmung»52
2.2.5 Bedu?rfnisse, Motive, Werthaltungen, Stimmungen53
2.2.6 Zusammenfassung56
2.3 Typische Veränderungen der Wahrnehmung im Alter56
2.3.1 Altersschwerhörigkeit56
2.3.2 Konsequenzen aus dem Hochtonverlust57
2.3.3 Kompensation durch Hörgeräte59
2.4 Defizite kompensieren60
2.5 Soziale Wahrnehmung61
2.5.1 Faktoren, die die Personwahrnehmung beeinflussen62
2.5.2 Attribution: Zuschreibung von Ursachen zu Handlungen und ihren Ergebnissen68
2.5.3 Selbst- und Fremdbild70
2.6 Wahrnehmen – Beobachten – Messen71
3 Lernprozesse73
3.1 Signallernen oder Klassisches Konditionieren73
3.1.1 Der «Pavlov’sche Hund»73
3.1.2 Der Pavlov’sche Hund und menschliches Erleben und Verhalten76
3.1.3 Anwendung: Verhaltenstherapie des Angstabbaus79
3.1.4 Veränderungen der emotionalen Bewertung durch Koppelungslernen82
3.1.5 Auslösung von Bedu?rfnissen und Handlungen durch Koppelungslernen82
3.2 Lernen aus den Konsequenzen des eigenen Verhaltens83
3.2.1 Belohnungsarten und Belohnungswerte85
3.2.2 Belohnungsmuster90
3.2.3 Loben und Belohnen oder Schimpfen und Bestrafen?91
3.2.4 Anwendung: Verhaltenstherapie der Depression92
3.2.5 Gelernte Hilflosigkeit96
3.2.6 Unbewusstes Lernen des vegetative