: Irene Scharenberg
: Doch der Tod wartet nicht Kriminalroman aus dem Ruhrgebiet
: Prolibris Verlag
: 9783954751396
: 1
: CHF 7.90
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 210
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
»Aber dat dieser junge Mann immer nur aufgetaucht ist, wenn Herr Schaneck nich zu Hause war, dat muss einem doch zu denken geben«, so kombiniert Annegret Wörtmann messerscharf. Sie kennt sich aus, sie guckt nicht nur in Nachbars Garten, sondern auch jeden Krimi im Fernsehen. Nun, da Schaneck tot ist, ermordet mitten auf der Beecker Kirmes, kann sie der Duisburger Kripo wertvolle Hinweise geben. Kommissar Pielkötter und sein Mitarbeiter Barnowski beginnen also, gegen die Witwe und ihren Liebhaber zu ermitteln. Beide können ein Alibi vorweisen. Die Kommissare gehen allerdings davon aus, dass Schaneck von einem bezahlten Killer erstochen wurde. Doch wer hat ihn engagiert?

Irene Scharenberg ist in Duisburg aufgewachsen und hat hier Chemie und Theologie für das Lehramt studiert. Vor einigen Jahren hat sie die Leidenschaft fürs Schreiben entdeckt. Seit 2004 sind zahlreiche ihrer Kurzgeschichten in Anthologien und Zeitschriften erschienen und in Wettbewerben ausgezeichnet worden. 2009 gehörte die Autorin zu den Gewinnern des Buchjournal-Schreibwettbewerb , zu dem mehr als 750 Geschichten eingereicht wurden. Irene Scharenberg ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter. Auch wenn sie heute am Rande des Ruhrgebiets in Moers lebt, so ist sie doch nach wie vor ihrer alten Heimat Duisburg und dem gesamten Pott sehr verbunden. »Doch der Tod wartet nicht« ist ihr sechster Kriminalroman mit den beiden Ermittlern Pielkötter und Barnowski.

Kapitel 1

Angespannt spähte Varujan zu dem Hauseingang auf der schräg gegenüberliegenden Straßenseite. Er führte die Zigarette in seiner rechten Hand mit einer fahrigen Bewegung zum Mund und zog gierig den Rauch ein. Nachdem er mehrmals hastig inhaliert hatte, warf er die Kippe auf den Boden und trat sie aus. Stoßweise blies er den Rauch aus, der wie eine Art Weichzeichner wirkte. Für einen kurzen Moment verschwanden die tiefen Furchen um seinen Mund und selbst die hässliche Narbe an seinem Kinn, die ihn stets an einen unrühmlichen Kampf erinnerte. Varujan starrte nach unten. Einemersten Impuls folgend, wollte er die Kippe aufheben, ließ sie dann aber liegen. Niemand käme auf die Idee, diesen Bürgersteig abzusuchen.

Die Vorsicht, die er stets walten ließ, hatte ihm mindestenseinmal das Leben gerettet und mehrfach vor dem unrühmlichenEnde seiner Karriere bewahrt, konnte jedoch zuweilen paranoide Züge annehmen. Unwillkürlich zog er den Schirm seiner gescheckten Armeekappe etwas tiefer in die Stirn. Er wollte gerade eine weitere Zigarette aus der kleinen Brusttasche seines karierten, nicht mehr ganz frischen Hemds fischen, da erregteetwas seine Aufmerksamkeit. Abrupt hielt er inne und richteteseinen Blick zu der Haustür schräg gegenüber. Als er sah, dasssie sich leicht geöffnet hatte, verengten sich unwillkürlich seineAugen. Die Muskeln spannten sich an.

Eine ältere Frau mit einer kleinen Handtasche trat aus dem Haus und schlich langsam, als bereite es ihr extreme Mühe, die zwei Stufen nach unten. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte sie den Gehsteig. Ärgerlich griff Varujan wieder in seine Brusttasche, fingerte eine neue Zigarette heraus. Während er sie anzündete, rotierten seine Gedanken. Hatte sich etwa eine Änderung ergeben, von der er nichts wusste? Er inhalierte und schaute auf seine Armbanduhr. Wenn die Zielperson nicht bald in Erscheinung trat, könnte es Probleme geben.

Er hatte die Konsequenzen einer möglicherweise veränderten Situation noch nicht durchgespielt, da öffnete sich die Tür ein zweites Mal. Wie gebannt fixierten seine Augen den Hauseingang. Als ein junger Mann mit kurzen blonden Haaren auftauchte, verzog sich sein Mund zu einem Grinsen. Nach demFoto zu urteilen, auch wenn er dort nur in einer Gruppe abgebildet war, handelte es sich eindeutig um die Zielperson. Der Manntrug eine blaue Jeanshose und ein leuchtend gelbes T-Shirt, das man gut von Weitem erkennen konnte. Alles würde gut. Zumindest für Varujan. In spätestens zwei Tagen würde er bei Anamaria sein, mit genug Kleingeld, um eine Weile bei ihr zu bleiben.

Behände sprang der Blondschopf die Stufen hinunter und hastete die Straße entlang. Offensichtlich hatte er es sehr eilig. Varujan hatte das vorausgesehen und setzte sich fast zeitgleich in Bewegung. Noch lief er auf der anderen Straßenseite, aber bei der nächsten günstigen Gelegenheit rannte er über die Fahrbahn. Das Risiko, als Verfolger erkannt zu werden, schätzte erwesentlich niedriger ein als das, den jungen Mann aus denAugen zu verlieren. Der kam verflixt schnell voran. Wahrscheinlich joggte er regelmäßig. Warum war davon keine Rede gewesen? Er selbst hatte andere Qualitäten. Automatisch fasste seine Rechte in die Hosentasche. Alles würde gut. Schließlich kannte er den Weg. Er wusste genau, wohin der Blondschopf wollte, der sich bisher nicht einmal die Mühe gemacht hatte, nach hinten zu sehen.

Varujan holte auf. Inzwischen betrug die Distanz nur noch wenige Meter, und er konnte die Aufschrift auf der Rückseite des T-Shirts entziffern. »Die Welt kann warten!« pra