: Terry Eagleton
: Hoffnungsvoll, aber nicht optimistisch
: Ullstein
: 9783843714334
: 1
: CHF 15.20
:
: Sozialwissenschaften allgemein
: German
: 256
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Hoffnung ist mehr als bloßer Optimismus oder Wunschdenken. Sie steht für ein philosophisches Konzept. Terry Eagleton bringt den Begriff zurück in den Diskurs - leidenschaftlich und brillant. Zu erwarten, eine schlechte Situation würde sich ins Gute verkehren, ist schlicht irrational. Nach drei Tagen Dauerregen kann man nicht davon ausgehen, dass am vierten Tag die Sonne scheint, hoffen kann man es sehr wohl. Denn bloßer Optimismus ist banal, Hoffnung dagegen erfordert Reflexion und klares, rationales Denken. Und hält immer auch die Möglichkeit des Scheiterns bereit. Hoffnung ist tragisch und zugleich eine permanente Revolution gegen Selbstzufriedenheit und Verzweiflung. Klug, geistreich und virtuos widmet sich Terry Eagleton dem Konzept Hoffnung. Er analysiert, wie sich unser Verständnis davon in sechs Jahrtausenden gewandelt hat - eine brillante Chronik menschlichen Glaubens und Verlangens, ein Abriss der Ideengeschichte von der Antike über Marx bis zu Ernst Bloch.

Terry Eagleton ist Professor für Englische Literatur an der University of Manchester und Fellow der British Academy. Der international gefeierte Literaturwissenschaftler und Kulturtheoretiker hat über 50 Bücher verfasst. Auf Deutsch liegen u.a. vor Der Sinn des Lebens (2008), Das Böse (2011), Warum Marx recht hat (2012) und Hoffnungsvoll, aber nicht optimistisch (2016).

2
Was ist Hoffnung?


Die drei sogenannten theologischen Tugenden – Glaube, Liebe, Hoffnung – haben alle ihre entarteten Doppelgänger. Glaube gleitet häufig in Leichtgläubigkeit ab, Liebe in Sentimentalität und Hoffnung in Selbsttäuschung. Tatsächlich ist es schwer, das Wort »Hoffnung« in den Mund zu nehmen, ohne die Aussicht des Scheiterns zu assoziieren, weil einem sofort Adjektive wie »leise« oder »vergeblich« in den Sinn kommen. Dem Begriff scheint eine unverbesserliche Naivität innezuwohnen, demgegenüber Missmut und Skepsis von einer gewissen Reife zu zeugen scheinen. Hoffnung suggeriert eine zaghafte, fast ängstliche Erwartung, einen schwachen Abklatsch robuster Zuversicht. In neuerer Zeit hat sie fast eine genauso schlechte Presse wie die Nostalgie, die mehr oder minder ihr Gegenteil ist. Hoffnung ist ein dünner Halm, ein Luftschloss, ein angenehmer Reisebegleiter, aber schlechter Führer, eine leckere Soße, aber wenig Fleisch. ImWüsten Land ist der April der grausamste Monat, weil er die falschen Hoffnungen auf Erneuerung weckt.

Es gibt sogar Menschen, für die Hoffnung etwas Unwürdiges ist, etwas, das Sozialreformern zu Gesicht steht, aber keinem tragischen Helden. George Steiner bewundert eine Form der »absoluten Tragödie«, die von etwas so verächtlich Kleinbürgerlichem wie Hoffnung nur aufgeweicht würde. Er schreibt: »In der hohen Tragödie verschlingt das Nichts wie ein Schwarzes Loch«37, eine Situation, die durch den geringsten Anflug von Hoffnung nur verfälscht werden könne. Durch solch müßiges Sehnen werde der Tragödie ihre Größe genommen. Das gelte nicht für dieOrestie des Aischylos oder für Shakespeares tragische Stücke, die für jedermanns Geschmack hoch genug sein dürften. Doch Steiner meint, das Tragische entspreche eigentlich nicht dem Naturell Shakespeares, weshalb er immer wieder das reine Wesen der Verzweiflung durch verschiedene vulgäre Hinweise auf Erlösung verwässere. Dagegen sei die Sichtweise in Christopher MarlowesDoktor Faustus, einem höchst unausgewogenen, holprigen Stück, extrem mitleidlos und damit von »zutiefst nicht-Shakespeare’schem« Charakter, wobei diese Charakterisierung als Kompliment gemeint ist. Die Tragödie verwirft alle gesellschaftliche Hoffnung und ist damit eine prinzipiell antisozialistische Haltung. Pessimismus ist ein politischer Standpunkt.38 Der katholische Philosoph Peter Geach hat keine bessere Meinung von der Hoffnung, wenn auch aus ganz anderen Gründen. Wenn Hoffnung nicht auf den christlichen Glauben gegründet sei, meint er, gebe es überhaupt keine Hoffnung.39 Es sei kaum vorstellbar, dass die freudige Erwartung auf eine üppige Mahlzeit null und nichtig wird, nur weil sie nicht auf dem Glauben an den Tod und die Auferstehung Jesu fußt. Selbst wenn das Christentum die einzige und letzte Hoffnung der Menschheit wäre, folgte daraus nicht, dass jedes Bestreben, das sich nicht am Reich Gottes orientiert, zum Scheitern verurteilt wäre.

Die politische Linke hat Gründe, die Hoffnung ebenso kritisch zu beurteilen wie die Steiner’sche Rechte. Beispielsweise spielt Claire Colebrook mit dem Begriff eines »hoffnungslosen Feminismus«: »Vielleicht müsste der Feminismus die Hoffnung aufgeben – Hoffnung auf einen reichen Freund, größere Brüste, schlankere Oberschenkel und eine noch unerschwinglichere Handtasche –, um sich eine Zukunft ausmalen zu können, die ›uns‹ von den Klischees befreit, mit denen wir uns betäubt haben, bis sie uns den Verstand geraubt ha