Stefan Eschthaler blieb aufatmend stehen, als er das kleine Gebirgsplateau erreicht hatte, und blickte mit strahlenden Augen um sich.
Wie schön seine Bergheimat jetzt im Frühling war! Fast hatte er vergessen, wie süß die Almwiesen dufteten, die sich bis zum dunklen Bergwald hochzogen. Unter ihm schmiegten sich die Häuser des kleinen Dorfes in das tief eingeschnittene Tal, umkränzt von blütenbeladenen Obstbäumen.
Schützend hob er die Hand über die Augen, als sein Blick über das gewaltige Gebirgsmassiv glitt, das ihm gegenüber emporwuchs, und die Gletscher leuchteten im Sonnenlicht wie blaues Feuer.
Stefan stieß einen Jauchzer aus, so leicht war es ihm ums Herz, dann setzte er seinen Weg fort. Unwillkürlich beschleunigte er seine Schritte, so sehr freute er sich darauf, seine Eltern wiederzusehen.
Über vier Jahre war er von zu Hause weg gewesen, um auf den Wunsch seines Vaters eine landwirtschaftliche Ausbildung in der Stadt zu absolvieren. Anfangs hatte er es vor Heimweh kaum ausgehalten, doch dann hatte er sich an das Großstadtleben gewöhnt, und war – besonders vor den Prüfungen – seltener nach Hause gekommen.
Jetzt aber empfand er mit überklarer Gewissheit, wo er hingehörte und dass er die Heimat aus freien Stücken niemals mehr verlassen würde.
Bald schon lag der Eschthaler-Hof vor ihm, und erneut hielt Stefan einen Augenblick inne und nahm das vertraute Bild in sich auf. Die Eschthalers waren die reichsten Bauern in der ganzen Gegend. Seit Generationen war der Hof im Besitz der Familie, und jeder Eschthaler hatte das Seine getan, um den Wohlstand zu mehren oder ihn in schlechten Zeiten wenigstens zu wahren.
Während die Zeit an dem Wohnhaus mit seinen blumenüberrankten Balustraden und der kunstvollen Lüftlmalerei nahezu unbemerkt vorübergegangen zu sein schien, bargen die angrenzenden Gebäude modernste Bewirtschaftungsräume. Stefans Vater hatte rechtzeitig die Notwendigkeit einer umfassenden Modernisierung erkannt, ohne jedoch den Eigencharakter des Hofes zu zerstören.
Die holzgeschnitzte Haustür öffnete sich, eine Frauengestalt trat heraus und spähte zum Hoftor hin.
»Mutter!« Stefan eilte zu ihr hin, und ehe sie wusste, wie ihr geschah, hatte er sie ungestüm im Kreis herumgeschwenkt.
»Geh, Stefferl, lass mich aus! Du bist halt immer noch so wild wie früher!« Ruth Eschthaler küsste ihren Sohn herzhaft auf beide Wangen und zerzauste ihm das dichte blonde Haar noch mehr. Sie strahlte vor Glück, denn sie liebte diesen Sohn, das einzige Kind, das ihr das Schicksal vergönnt hatte