Die Folgen von Schock und Nervenstress auflösen
Heute rief mich ein Patient namens Vadim an. Der große, kräftig gebaute, dunkelhaarige Mann arbeitet als Techniker, ist 34 Jahre alt, mit einer bezaubernden Frau verheiratet und hat zwei Kinder. Er bat mich, seinen Termin zu verlegen, denn bis zu mir brauche er zwei Stunden, und sein Chef erlaube ihm nicht, heute früher zu gehen. Während unseres Gesprächs nahm ich wahr, wie anders, wie viel freier, seine Stimme klang … Die gewohnte Anspannung und Steifheit in seinen Worten war verschwunden. Das bedeutet, dass die neurolinguistische Programmierung, die ich bei ihm durchführte, langsam Früchte trägt.
Vadim war vor etwa einem Monat zum ersten Mal zu mir in die Sprechstunde gekommen. Seine Hände und Füße konnte er keinen Moment still halten, die Finger drückte er so fest zusammen, dass die Knöchel weiß wurden, und wenn er sprach, presste er seine Worte mit Mühe aus sich heraus, so jedenfalls erschien es mir.
„Doktor, ich kann schon ein ganzes Jahr lang keine normale intime Beziehung mehr mit meiner Frau haben. Das alles hat sich so stark verändert … Vor dem Beischlaf sehe ich sie mit einem anderen Mann, ganz deutlich, in allen Details, und dann ist meine Lust wie weggeblasen. Es ist so, als ob etwas in mir absterben würde. Ich bin dann niedergeschlagen, völlig kaputt und kann nicht einschlafen. Stundenlang stelle ich mir vor, wie sie es mit dem anderen treibt“, erzählte er.
Also begann ich, ihn ausführlich zu befragen, um die Ursache für seinen Zustand herauszufinden.
„Wenn ich Sie richtig verstanden habe, war die intime Beziehung mit Ihrer Frau in den ersten vierzehn Jahren Ihrer Ehe harmonisch und liebevoll?“, fragte ich nach.
„Ja, alles war wunderbar, ich habe sie vergöttert. Aber dann geschah etwas: Letzten Sommer waren wir eines Abends in einem Restaurant am Strand. Wir hatten beide viel getrunken und ich erzählte ihr – ich weiß selbst nicht, warum ich das gemacht habe – von den Beziehungen, die ich vor unserer Ehe hatte. Danach wollte ich auch von ihr wissen, mit wem sie früher zusammen gewesen war. Und da gestand sie mir nach ein paar schweigsamen Minuten, ein Freund von mir, den ich gebeten hatte, in den zwei Jahren, in denen ich in Stuttgart studierte, ein bisschen auf Irina ,aufzupassen‘, habe sie ,fast mit Gewalt genommen‘. Sie seien bei uns zu Hause gewesen, hätten viel getrunken … und sie erinnere sich kaum noch an das, was dann geschehen sei …“
Als sie das aussprach, fiel Vadim in einen Schockzustand. In dieser Nacht konnte er nicht schlafen, ständig ging ihm der Verrat seiner Freundin – damals waren sie noch nicht verheiratet gewesen – und seines Freundes durch den Kopf. Am nächsten Tag war er in schlechter Stimmung, der Familienurlaub war verdorben.
Vor ein paar Monaten tauchten nun auch noch neue negative Gedanken auf, die ihm eingaben, wie vergeblich sein ganzes Leben sei. Allein seine kleinen Kinder hielten ihn noch am Leben, gestand er mir. Ich sah hier ein typisches Bild von exogener Depression.
Vadim wirkte gehemmt, verklemmt, stur, aber auch intelligent und willensstark auf mich. Des Weiteren fiel mir auf, dass er sehr langsam sprach. Sein Vater sei immer streng, schweigsam und verschlossen gewesen, erzählte er mir. Wenn er getrunken habe, habe er die Mutter vor den Augen seines Sohnes geschlagen. Das hat den Charakter des Jungen natürlich geformt. Später erlaubten ihm die Eltern lange nicht, zu heiraten, mit dem Argument, er sei noch viel zu jung.
Ich bat Vadim, seine Frau Irina für ein Gespräch zu dritt mitzubringen. Sie erzählte, dass sie Vadim kennengelernt habe, als sie neunzehn gewesen sei. Sie hätten einige Jahre lang in verschiedenen Städten gelebt. Monatelang hätten sie einander nicht gesehen.
Vadim habe an einer Fachschule für Technik studiert und sie an einer Medizinfachschule an einem anderen Ort. Wenn sie sich getroffen hätten, habe er ihr jedes Mal die Ehe versprochen, dann aber sei er wieder für lange Zeit verschwunden. Sie sei sich unter diesen Bedingungen trotz aller schönen Gefühle für ihn sehr unsich