: Jane Kirkpatrick
: Licht über weitem Land Nach einer wahren Geschichte
: Brunnen Verlag Gießen
: 9783765574603
: 1
: CHF 12.40
:
: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 320
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die junge Hebamme Letitia ist stark, geschickt und lebensklug. Und eine freigelassene Sklavin. Davey, ein gutmütiger weißer Viehzüchter, gibt ihr Arbeit und bietet ihr damit Schutz. Mit Letitia kommen Licht, Schönheit und Behaglichkeit in sein Haus. Bald kann er sich ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen. Aber Letitia ist sich nicht sicher, ob sie Davey liebt. Und die Gesetze verbieten ihnen eine Ehe. Beide hoffen auf eine gemeinsame Zukunft in Freiheit und brechen mit dem großen, gefährlichen Treck nach Westen auf. Ihr Glaube hilft Letitia wie schon so oft, nicht aufzugeben ...

Jane Kirkpatrick hat bereits mehr als 25 Romane geschrieben, von denen mehrere auf der New York Times Bestsellerliste standen. Sie lebt mit ihrem Mann in Oregon.

1 Eine eigene Meinung

PLATTE COUNTY, MISSOURI, 1844

Letitia blieb im Schatten, um dem Geplänkel vor ihr auszuweichen. Aber das Kind an ihrer Hand zog sie mit auf die staubige Straße vor dem Gerichtsgebäude von Platte County. Männerstimmen durchschnitten die Luft, scharf und beißend wie die Peitschenhiebe eines Feldaufsehers. Die Luft war schwer wie eine feuchte, wollene Decke, aber dennoch umgab die beiden Männer eine Staubwolke, als ob Stiere mit den Hufen stampften. „Wir hatten eine Abmachung, offen und ehrlich. Aber sie hat die Arbeit nicht geleistet!“ Letitia kannte den Sprecher: Davey Carson, ein Auswanderer aus Irland, jetzt Einwohner der Siedlung Carroll in Platte County, Missouri. Und offensichtlich aufgeregt. Die buschigen, leicht rötlichen Augenbrauen waren über dem finsteren Blick pfeilförmig zusammengezogen. „Und ich sage, ich hab nichts von allem getan, was sie behauptet. Nichts! Das Mädchen hat seine Arbeit nicht gemacht, so war’s!“

Letitia zuckte zurück, erleichtert, dass der Zorn nicht ihr galt. Sie zog das Kind an der Hand mit sich in Richtung des Gemischtwarenladens von Platte City.

„Das klären wir vor Gericht.“ Der zweite Mann stürmte an Davey vorbei und ließ den Iren stehen wie eine verschrumpelte Gurke am Boden des Gurkenfasses, die niemand mehr anfassen mag.

Mit rotem Gesicht überflog Davey die sich zerstreuende Menge. Sein Blick traf Letitia und sie blickte zu Boden. In der heißen Sonne stand ihr Schweiß auf der Stirn und verstärkte den Duft von Kokosöl und Honig, mit denen sie ihr krauses Haar zu glätten versucht hatte. Sie wandte den Kopf zur Seite. „Gehen wir.“ Sie griff nach der Hand des Kindes.

„Du glaubst das wohl auch?“ Es klang wie ein Vorwurf.

Sie blieb stehen.

„Du glaubst wohl auch, ich bin unberechenbar und könnt’ ein Mädel schlagen und missbrauchen, Sklavin hin oder her! Ist das deine Meinung, Frau?“

Meinte er wirklich sie? Sie suchte besser das Weite. Sie brauchte jetzt wirklich keinen Streit mit einem Weißen. Sie war in der Stadt, um Knöpfe und Schleifenband für Mrs Bowman zu besorgen, und Artemesia hatte gebettelt, mitkommen zu dürfen. Das Kind stand mit großen Augen da; die kleine Hand, die sich jetzt in die von Letitia schob, war heiß und feucht.

„Was ich denk, Mista Carson, is’ egal. Ich hab gar keine Meinung. Ich wollt nur nich’ im Weg sein.“ Sie hatte sehr wohl ihre eigene Meinung. Er war freundlich zu ihr gewesen, im letzten Jahr, nicht lange, nachdem sie nach Platte County gekommen war. Sie hatte ihn gebeten, ihr Geld zu nehmen und davon eine Kuh für sie zu kaufen.

Seine Stimme wurde wieder lauter. „Ja, ich