1. KAPITEL
Nicht, dass er Einladungen des Fürstenhauses ablehnte. Phillip Kinrowan war in aristokratischen Kreisen aufgewachsen, wohnte dem ersten Ball bei, bevor er laufen konnte, ritt im Alter von zarten sechs Jahren sein erstes Grand-Prix-Springturnier in Monaco und nannte ein großes Anwesen sein Eigen, kaum, dass er die Pubertät hinter sich gelassen hatte. Er hasste nur die Nennung seines Titels, da sie ihm zu viel unerwünschte Aufmerksamkeit einbrachte. Aufmerksamkeit, die meist mit Ärger endete. Ärger mit Frauen.
„Das Fürstentum Altaria heißt Seine Hoheit, Phillip Kinrowan, Prinz von Silverdorn, willkommen!“ Die Begrüßung wurde zuerst in italienischer, dann in französischer und schließlich in englischer Sprache vorgenommen, aus Hochachtung vor dem Amerikaner, zu dessen Ehren dieses Fest stattfand.
Phillip lief die prachtvoll geschwungene Treppe hinunter in den Marmorsaal. Er langweilte sich jetzt schon. Dieselben Gesichter blickten ihm bei fast jedem offiziellen Anlass entgegen. Nur die Amerikaner waren ihm fremd, wie jedem hier in diesem elitären gesellschaftlichen Kreis. Doch es gehörte zum Protokoll, dem neuen Fürsten die Ehre zu erweisen, egal, wo er aufgewachsen war.
Chicago. Phillip wusste kaum, wo die Stadt lag. Irgendwo in der Mitte der Vereinigten Staaten. An einem großen See? Egal. Vielleicht fand er ja unter Daniel Connellys Familienmitgliedern einen interessanten Gesprächspartner. Er ließ seinen Blick über das Ehrenspalier gleiten und fand niemanden, der sein Interesse weckte, bis er fast am Ende angekommen war.
Eine junge Frau mit frecher Kurzhaarfrisur stand verlegen hinter den Ehrengästen. Sie trug ein elegantes Kleid in einem lebhaften Grün, das farblich genau zu ihren Augen passte. Eine erfrischende Abwechslung inmitten der meist schwarzen Abendgarderobe. Was aber seine Aufmerksamkeit besonders erregte, war die Art, wie sie ihren Blick rastlos durch den riesigen Raum mit den funkelnden Kronleuchtern schweifen ließ. Sie gab sich nicht einmal die Mühe, ihre Abneigung diesem Prunk gegenüber zu verbergen. Eine Gleichgesinnte!
Wer war diese Fremde? Er beobachtete, wie sie der Frau vor sich etwas ins Ohr flüsterte. Dann hob sie ihre wallenden Röcke mit beiden Händen hoch und verschwand in Richtung der Türen, die zum Garten führten. Im nächsten Moment war sie draußen, doch Phillip schmunzelte insgeheim über den Anblick, der sich ihm geboten hatte. Klobige braune Lederstiefel mit losen Schnürsenkeln unter dem eleganten Kleid aus Satin und Chiffon. Eine kleine Rebellin! Wie charmant.
Phillip sah sich um. Niemand schien ihr oder ihm Beachtung zu schenken. Er folgte der jungen Frau. Sie hatte eine Ernsthaftigkeit, aber auch eine Natürlichkeit an sich, der er nicht widerstehen konnte.
Von der Terrasse führte eine breite Treppe hinab in einen architektonisch sehr ansprechend gestalteten Garten. Phillip fragte sich, ob der amerikanische Clan mit so viel zur Schau gestelltem Reichtum umgehen konnte, erinnerte sich dann aber daran, dass die Connellys zu den wohlhabendsten Familien ihres Landes gehörten. Er sah die schwarzhaarige junge Frau um die Hecke huschen, die die Ställe und den Hof von dem hübsch gestalteten Garten trennte.
„He, warten Sie!“, rief er und lief los.
Wenn sie ihn gehört hatte, dann reagierte sie nicht. Als er hinter den Büschen hervorkam und vor dem Reitplatz stand, war von der jungen Frau in den Doc-Martens-Stiefeln nichts mehr zu sehen.
Phillip erblickte einen Stalljungen, der gerade eine Fuchsstute über den Hof führte. „Haben Sie eine junge Frau in einem Abendkleid ge