: Ana Jeromin
: Sonnentänzer
: Coppenrath Verlag
: 9783649670698
: 1
: CHF 9.90
:
: Abenteuer, Spielgeschichten, Unterhaltung
: German
: 248
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die 15-jährige Kathrin liebt es, draußen in der Natur zu sein - schon allein deshalb, weil sie ihre halbe Kindheit bei den Haida-Indianern in Kanada verbracht hat. Mittlerweile lebt sie mit ihrer Familie wieder in Deutschland und ist mehr als überrascht, als plötzlich ihr damals bester Freund Táan gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Sigai auftaucht. Schnell ist klar, dass sie nicht gekommen sind, um mit ihr die Ferien zu verbringen. Ehe Kathrin sichs versieht, wird sie von einem unverzeihlichen Fehler in ihrer Vergangenheit eingeholt. Und alles dreht sich auf einmal wieder um die wertvolle Schachtel der Haida, die Kathrin gestohlen hat - nicht ahnend, welche Geister sie damit rief ...

Ana Jeromin, geboren 1983, wuchs in der Bergstadt Oerlinhausen am Teutoburger Wald auf. Das Schreiben und Lesen fantastischer Geschichten begleitet sie seit frühester Kindheit. Außerdem interessiert und begeistert sie sich für Kampfkunst, fremde Kulturen und Naturschutz. Nach dem Abitur lebte sie einige Zeit in Spanien, bevor sie in Bielefeld ein Biologiestudium begann. Nach Abschluss der Bachelorarbeit nahm sie eine Teilzeitstelle an der Universität an, bis sich sich im Juli 2010 als Schriftstellerin selbstständig machte. Bis heute lebt und schreibt sie in Bielefeld.

2


Ein Nachmittag am See


Táan musterte Kates Rücken, während sie vor ihnen den kleinen Waldweg entlangging. Der See war ganz nah. Táan konnte das Wasser schon riechen und die Holzkohle eines Grills, auf dem Würstchen brutzelten. Ein Sommernachmittag wie gemalt und eigentlich perfekt, um für ein paar Stunden in der Sonne zu liegen und das Leben einfach zu genießen – wären da bloß nicht die düsteren Wolken über ihnen gewesen. Denn auch wenn für alle anderen der Himmel noch immer strahlend blau und die Luft sommerlich leicht war, wusste Táan, dass auch Kate die Schatten auf der Haut spürte. Fast tat es ihm leid, dass er ihren Tag so zerstören musste. Aber dann auch wieder nicht. Sie verdiente sein Mitleid nicht. Sie hatte das Wichtigste gestohlen, was sein Stamm besaß. Was immer heute geschehen mochte, hatte Kate sich selbst zuzuschreiben.

Kate hielt sich kerzengerade, ihre Schritte waren so steif, dass sie staksig wirkten wie die eines Reihers auf Froschfang. Überhaupt schien nicht viel von dem Mädchen übrig geblieben zu sein, an das Táan sich erinnerte.Fräulein Furchtlos hatte ihr Vater sie immer genannt. Und Táan hatte Fräulein Furchtlos damals sehr gemocht. Das Mädchen aber, das er jetzt vor sich hatte, war ein ganz anderer Mensch. Distanziert, abweisend. Verkrampft. Táan war sich nicht sicher, ob er enttäuscht oder erleichtert darüber war. Eine Kate, die ihm unsympathisch war, machte vieles einfacher.

Trotzdem ertappte er sich dabei, wie sich ein Lächeln in seine Mundwinkel stahl, als er daran dachte, wie er einen Blick auf ihre Fußsohlen erhascht hatte, während sie sich die Sandalen anzog. Nackt und schwarz vor Schmutz. Eine Kiefernnadel aus dem Wald klebte darunter, aber sie schien sich daran überhaupt nicht zu stören. Es hatte sich wohl doch nicht alles geändert.

Neben Táan räusperte Sigai sich leise. Natürlich. Táan konnte vor seinem Zwilling nichts verbergen, ob er es nun versuchte oder nicht. Und Sigai, das wusste Táan, hatte das Lächeln gesehen und war alles andere als begeistert. Im Gegenteil. Schon auf dem Flug hierher hatte er ihn gewarnt: Sie waren hier, um die Schuld wiedergutzumachen, die Táan auf sich geladen hatte. Für nichts anderes. Und dieser Gedanke ließ das Lächeln verblassen, noch ehe es richtig in Táans Herzen ankommen konnte.

Wir spielen ihr Spiel fürs Erste mit, hatte Sigai vorgeschlagen, nachdem Kate so überstürzt aus der Küche ihrer Eltern geflüchtet war.Wenn wir ihre Freunde kennenlernen, lernen wir auch sie kennen. Dann fällt es uns vermutlich leichter, sie zu überzeugen.

Es lag nicht in Táans Art, so berechnend zu sein. Aber er musste zugeben, dass die Argumente seines Bruders logisch klangen – abgesehen davon, dass es sich undankbar anfühlte, Sigai zu widersprechen. Immerhin hielt der ihm gerade entgegen seiner eigenen Überzeugunge