Meine Suche nach Paulus’ Spuren beginnt in Tarsus, einer kleinen Stadt im Südosten der Türkei, etwa 15 Kilometer landeinwärts vom Mittelmeer. Die moderne Stadt bietet einen deprimierenden Anblick. Selbst die Sonne, die einen großen Teil des Jahres intensiv scheint, kann daran nichts ändern. Überall beherrschen schmuddelige alte Gebäude und eintönige Wohnblöcke das Bild. Es braucht schon etwas Fantasie, um sich vorzustellen, dass hier kurz nach 3000 v. Chr., vor fast 5000 Jahren, eine beachtliche geschichtliche Entwicklung ihren Anfang nahm. Damals ließen sich die ersten Menschen in der fruchtbaren Ebene in unmittelbarer Nähe des Flusses Kydnos nieder. Sie lebten vom Ackerbau, von der Viehzucht und vom Fischfang. Im 2. vorchristlichen Jahrtausend war Kilikien, die Region, in der Tarsus liegt, durch einen Vertrag mit dem Volk der Hethiter im anatolischen Hochland verbunden. Um 1200 v. Chr. war es mit der relativen Ruhe vorbei. Seevölker aus dem Norden destabilisierten die Länder um das Mittelmeer und zogen eine Spur der Verwüstung. Das Reich der Hethiter zerfiel und auch die alte Siedlung am Kydnos wurde zerstört.
Nachdem allmählich Ruhe in die Region zurückgekehrt war, bauten griechische Kolonisten die Stadt im 9. Jahrhundert v. Chr. wieder auf und nannten sie Tarsus. Neue Feinde, diesmal aus dem Osten, ließen jedoch nicht lange auf sich warten: die Assyrer. Sie eroberten Tarsus und hatten dort bis zum Ende des 7. Jahrhunderts v. Chr. das Sagen. Nach einer kurzen Periode der Unabhängigkeit eroberten die Perser unter König Kyros II. (559–530 v. Chr.) die Stadt. Unter ihnen wurde Tarsus zu einem wichtigen Rastplatz für Reisende auf dem Weg nach Syrie