Der Charakter der Epoche
Im Rahmen der antiken griechischen Geschichte kann man das Zeitalter Philipps II. (circa 382–336) und Alexanders des Großen (356–323 v. Chr.) als eine Übergangszeit zwischen der späten klassischen Polisstaatenwelt des 4. Jahrhunderts und dem frühen Hellenismus charakterisieren. Schon hellsichtige Zeitgenossen hatten ein klares Bewusstsein davon, dass sich zwischen 359 und 323 epochale Veränderungen vollzogen, deren Auswirkungen die ganze östliche Mittelmeerwelt, Ägypten und den Vorderen Orient betrafen. Signifikant für dieses Bewusstsein ist der historiographische Perspektiv- und Paradigmenwechsel, der sich bei griechischen Historikern von XenophonsHellenika zu TheopompsPhilippika und danach zu den frühen Alexanderhistorikern vollzieht. Xenophon hatte in seinenHellenika den großen Torso der Geschichte des Peloponnesischen Krieges des Thukydides von 411 v. Chr. über das Endjahr dieses Krieges 404 v. Chr. hinaus fortgeführt. Denn das Ringen der bedeutendsten Poleis der polyzentrischen Staatenwelt des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr., Athens, Spartas und Thebens, um die hegemoniale Stellung in Hellas war mit dem (vorläufigen) Scheitern Athens, das sich auf den Delisch-Attischen (Ersten) Seebund gestützt hatte, keineswegs beendet. Unerwartet schnell vollzog sich der machtpolitische Wiederaufstieg Athens, das sich bald durch die Neugründung des Zweiten Attischen Seebundes ein politisches und militärisches Instrument schuf, mit dessen Hilfe die Polis bis zum Ende dieser Symmachie 338 v. Chr. und zu dem Verlust der athenischen Flotte 322 v. Chr. in Hellas weiterhin eine bedeutende Rolle spielen konnte. Doch trotz der Wünsche einer Mehrheit des Demos wurde bald erkennbar, dass Athen im 4. Jahrhundert keine Hegemonie mehr über ganz Hellas würde erringen können. Sparta stützte sich in seiner Hegemonialpolitik ebenfalls auf eine hegemoniale Symmachie, den Peloponnesischen Bund. Zwischen 404 und 371 v. Chr., dem Jahr der verheerenden Niederlage von Leuktra, konnten die Spartaner trotz vielfältiger Widerstände eine Führungsstellung im griechischen Raum verteidigen. Doch stürzte auch ihre Vorherrs