1 Was ist Religion?
In diesem Buch kann und soll keine umfassende Analyse des Begriffes „Religion“ im Sinne einer Entwicklungsgeschichte dieses Begriffes oder einer systematisch-theologischen, philosophischen oder religionswissenschaftlichen Erörterung des Wortes geboten werden. Dies ist mehrfach an anderer Stelle von kompetenteren Leuten durchgeführt worden.1 Dieses kurze Einstiegskapitel will vielmehr deutlich machen, wie die Autoren des Buches den Begriff „Religion“ verstehen und in diesem Buch verstanden haben wollen.
Eine wichtige Einstiegsbeobachtung ist, dass das Hebräische den Begriff „Religion“ eigentlich nicht kennt, ebenso wenig wie das Griechische. Die Wörterbücher bieten allenfalls yir’at YHWH bzw. theosebeia „Gottesfurcht“ als Äquivalente an, doch beschreiben diese Begriffe nur einen Teilbereich von „Religion“. Am umfassendsten, aber vielleicht auch am einfachsten ist eine pragmatische Definition, wie sie Gustav Mensching vorgelegt hat: Religion ist „erlebnishafte Begegnung mit heiliger Wirklichkeit“ und kann „als antwortendes Handeln des vom Heiligen existentiell bestimmten Menschen“ verstanden werden.2
Diese offene Definition bietet viele Möglichkeiten, die Religion der biblischen Zeit und Umwelt angemessen zu erfassen. Mensching spricht von „heiliger Wirklichkeit“, ohne sich dabei auf eine bestimmte Religion festzulegen. Alle Ebenen religiösen Erlebens und religiöser Ideen sind hiermit umschrieben, ohne dass von vornherein eine wertende Einschränkung hinsichtlich des Zugangs zu dieser Religion vorgegeben wäre. Es geht z.B. nicht (allein) um die Religion