Vorwort
»Das Leben des Richard Coudenhove-Kalergi ist ein Abenteuer.« Dies sagte einer meiner Gesprächspartner im Rahmen der Recherchearbeiten im Spätherbst 2015. Denn Richard Coudenhove-Kalergi (im Folgenden abgekürzt als RCK) war ständig auf der Suche nach etwas Neuem für seinen Traum von einem geeinten Europa. Charakteristisch für ihn sind seine ständige Unrast dabei, Mitredner und Partner zu gewinnen, was auch zur Folge hat, dass es immer wieder zu Auseinandersetzungen kommt und auch Neuorientierungen durch Großereignisse auslöst.
Auch wenn er sich selbst als pragmatischen Pazifisten sieht, erkennt er bald, dass dies zu wenig ist und er nimmt sich selbst in die Pflicht, aktiv in die Politik Europas einzugreifen. Sein Motto dazu lautet: Wahrung der Unabhängigkeit, Führungsanspruch und Überparteilichkeit.
Dies hat zur Folge, dass sein Leben nach beschaulicher Kindheit und Jugend sich mit Ende des Ersten Weltkrieges sehr rasch verändert. Es ist eine Reihe oft schwerer Konflikte, die er durchstehen muss, um seine Idee von Paneuropa nicht nur in Worten, sondern auch in die Tat umsetzen zu können.
Mit diesem Wechselspiel gelingt es ihm, da er sich nicht zurücklehnt und beobachtet, sondern sich immer wieder öffentlich der Diskussionen stellt und sich Diffamierungen widersetzt, mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ins Gespräch zu kommen und für seine Ideen nicht nur Gegner, sondern auch Förderer und Mitträger zu gewinnen. Dazu kommt noch – wie am Beispiel von Churchill, de Gaulle usw. offensichtlich wird –, dass er Personen findet, die sehr rasch seine Fähigkeit erkennen, seine Ideen aufgreifen und in gegebener Form politisch umsetzen oder fortentwickeln.
Auch geschieht es, dass einzelne Teile seines Gedankenguts in Vergessenheit geraten, später ohne auf ihn Bezug zu nehmen aufgegriffen und weiterentwickelt werden.
RCK ist aber auch selbst ein Lernender. Von elterlicher Seite erlebt er großen disziplinierten Freiraum und bekommt die bestmögliche Ausbildung an der Theresianischen Akademie mit der Zielvorgabe, später im höheren diplomatischen Dienst der Donaumonarchie zu landen. Diese bildet auch die Grundlage – etwa mit seiner Vielsprachigkeit – für seine Präsenz bei den unzähligen Kongressen auf verschiedensten Ebenen. Entgegen den Erwartungen der Eltern entscheidet er sich jedoch nach dem Studium dafür, Journalist zu werden.
Er greift zu einem Buch des österreichischen Friedensnobelpreisträgers Alfred Hermann Fried mit dem Titel »Pan-Amerika – Entwicklung, Umfang& Bedeutung der zwischenstaatlichen Organisation in Amerika (1810–1916)«. Eine Herausforderung hierbei ist die Insideraussage, die Fried seinem Buch als Basis voranstellt. »Europa legt vielleicht für all dies nicht genügend Aufmerksamkeit an den Tag! Europa möge nicht vergessen, dass es einer jungen unternehmenden Welt gegenübersteht, deren Entwicklung durch Riesenschritte ausgezeichnet, die nicht die aufgehäuften finanziellen Verpflichtungen unseres alten Staates besitzt und auf der nicht die wahrhaftig ausschweifende Last unserer militärischen Organisation liegt.«1 Frieds Publikation ist für RCK ein Lehrbuch, von dem ausgehend er sein Modell Paneuropa entwickelt. Aus der unmittelbaren Aktualität des politischen Vakuums, ausgelöst durch den Zerfall sowohl der Donaumonarchie als auch der deutschen, russischen und türkischen Monarchien und den Erstarrungsprozess durch die Friedens- und Knebelungsverträge, setzt er sich, publizistisch angeregt durch seinen Freundeskreis, für den sich konstituierenden PEN-Club ein. Um Arthur Schnitzler, den ersten Präsidenten, schart sich eine Aufbruchs-Generation, der auch RCK und seine Frau Ida angehören. Sein Freiraumanspruch ist es, mit dem er sich selbst freispielt, mit seinem Paneuropa-Buch sein Umfeld