»Das werde ich, glaub’ ich, nicht tun, mein lieber Rudi. Aber bei der Fixigkeit, mit der Sie Ihre Formeln hier hingehaun haben, kann schließlich doch ein Irrtum unterlaufen sein, den ich nicht sofort feststellen kann. Doch Geduld!« Sie schob ihre Arbeiten beiseite. »Ich werde mich gleich daranmachen. Und wenn’s stimmt, Rudi, dann …«
Rudi formte die Lippen zu dem Wort ›Kuß‹. Da hob Tilly drohend den Finger. »… erhalten Sie morgen ‘ne Einladung zu Ihrem Leibgericht – puh, mir graut’s! – Schlesisches Himmelreich.«
»Prima, prima, Tilly!« rief Rudi strahlend. »Werde von jetzt ab fasten. Denn stimmen tut’s, das kann ich Ihnen sagen! Ihre Portion esse ich jedenfalls mit! – Haben Sie sich übrigens mal den Fall überlegt, wie Sie sich stellen würden, wenn Ihr zukünftiger Gatte ausgerechnet ein Liebhaber dieses köstlichen Gerichts wäre? Ich würde mich unbedingt scheiden lassen, wenn etwa meine Zukünftige es mir nicht jede Woche wenigstens einmal auf den Tisch setzte!«
»Gut, daß Sie das sagen, Rudi! Ich werde mich danach richten.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich meine, Rudi, daß Sie – abgesehen von einigen wenigen löblichen Momenten – ein großer Frechdachs sind!«
Die Mittagsglocke schrillte. Rudi wollte fortgehen, doch Tilly hielt ihn zurück und gab ihm den beschriebenen Bogen. »Es stimmt tatsächlich! Möchten Sie mir ‘nen Gefallen tun, Rudi?«
»Aber selbstverständlich, Tilly! Was soll ich denn?«
»Bringen Sie doch das alles noch mal mit erläuternden Ausführungen in anständiger Form zu Papier! Wissen Sie: so, wie Sie’s etwa als Examensarbeit machen würden.«
Rudi machte ein saures Gesicht. »Na meinetwegen! Wann wollen Sie es denn haben?«
»Sobald als möglich!«
»Na schön! Auf Wiedersehn!« —
Am nächsten Morgen übergab Rudi Tilly ein ziemlich umfangreiches Schriftstück. Die nahm es, durchblätterte es. »Menschenskind! Wann haben Sie denn das gemacht? Das sind ja weit über zwanzig Seiten!«
»Na, wann soll ich’s gemacht haben? Heute nacht. Fünf Stunden meiner unentbehrlichen Nachtruhe hab’ ich geopfert.«
Tilly reichte ihm die Hand. »Danke Ihnen herzlich, Rudi! Sie sind doch ein Prachtkerl!«
»Werde Sie gelegentlich daran erinnern, Tilly!«
Rudi ging an seinen Platz und schob seine Apparate zurecht. »Verfluchter Kram!« murmelte er brummend vor sich hin. »Siebzehn Versuche mit Kohlenwasserstoffen vom Pentan bis zum Oktan hab’ ich schon hinter mir … Resultat: null Komma null! – Weitere siebzehn blühen mir sicher noch … Der Teufel soll den langweiligen Kram holen!«
Er ging zu Tillys Tisch zurück und sagte: »Sie haben sich ja auch schon mit den negativen Versuchen der Methanreihe beschäftigt. Was denken Sie davon, wenn man mal ungesättigte Kohlenwasserstoffe in gewissen Prozenten zugibt?«
»Rudi, Sind Sie des Teufels? Lassen Sie das ja sein!«
»Ach, Sie meinen: wegen der Explosionsgefahr? Das kann man ja mit der nötigen Vorsicht machen. Aber könnten Sie sich nicht vorstellen, daß man auf die Manier die Reaktion vielleicht durch spontane Hydrierung erzwingt?«
Tilly schüttelte den Kopf. »Mit den Homologen der neuen Heptanreihe …? Da geh’ ich lieber weg! Das erscheint mir mehr als riskant!«
Rudi ging ruhig zu seinem Platz zurück. »Heptan?« brummte er vor sich hin. »Gibt wieder wenigstens vierzig Versuche.«
Er setzte sich und warf ein paar Formeln aufs Papier und überlegte. Mit der Heptanreihe müßte es gehen, wenn man den anderen Katalysator nahm. Aber sollte er’s riskieren? Bei vorsichtigster Dosie