In den Eggerth-Werken
Nordwestlich von Bitterfeld liegen die Eggerth-Werke. Mehrere Montagehallen bilden einen langgestreckten Komplex, flankiert von einer Reihe mehrstöckiger Bauten, in denen sich die Werkstätten und Laboratorien befinden. Äußerlich nimmt sich das ganze ziemlich bescheiden aus. Irgendein kleineres Werk unter den vielen Werken dieser industriereichen Gegend, könnte wohl ein oberflächlicher Beobachter denken. Auffallend vielleicht nur, daß die hohe, aus gelben Bitterfelder Ziegelsteinen errichtete Fabrikmauer nicht nur die Baulichkeiten des Werkes, sondern auch noch eine ebene und völlig unbebaute Fläche von etwa anderthalb Kilometern im Quadrat umschließt. Aber dieses scheinbar nutzlose Gelände ist keineswegs unwichtig. Es ist der Flugplatz, über dem die von den Eggerth-Werken herausgebrachten Flugzeuge eingeflogen werden und von dem aus sie danach immer weiter ausgedehnte Probeflüge in die Umgebung unternehmen.
Als Professor Eggerth sich hier mehrere Jahre vor dem Weltkriege niederließ und zuerst ganz bescheiden mit einer kleinen Werkstatt anfing, wurde manch absprechendes Urteil über ihn gefällt. Der typische deutsche Gelehrte, sagte man, der allen Dingen mit professoraler Wissenschaftlichkeit auf den Grund gehen will, in einer Baracke, die er hochtrabend »Forschungsinstitut« nennt, zwecklose, kostspielige Versuche anstellt, und vor lauter Versuchen nicht zum Bauen kommt. Doch die folgenden Jahre hatten solche Kritiken bald verstummen lassen. Die Flugzeuge, die Professor Eggerth nach einer freilich nicht eben kurzen Vorbereitungszeit herausbrachte, erwiesen sich als unübertrefflich und eroberten den Eggerth-Werken schnell eine führende Stellung in der deutschen Flugzeug-Industrie.
Dabei scheute sich dieser wissenschaftliche Revolutionär nicht, alte, von der Technik als gut befundene Wege kurz entschlossen zu verlassen, sobald er bessere Möglichkeiten sah. So hatte er schon während des Weltkrieges gegen den Widerspruch der gesamten Fachwelt und der militärischen Stellen das erste Ganzmetall-Flugzeug herausgebracht. Wie hatte man damals über die »fliegende Konservenbüchse« gespottet. Und doch begann sich die neue Bauart schon während des Krieges allgemein durchzusetzen und um 1940 erinnerte man sich nur noch dunkel, daß man dreißig Jahre früher einmal Flugzeuge aus Holz, Leinewand und ähnlichen brennbaren und auch sonst bedenklichen Stoffen gefertigt hatte.
Es ging oft so mit den bahnbrechenden Erfindungen des Professors, daß man sie erst verlachte, dann allgemein annahm und den Erfinder darüber vergaß. Der alte Eggerth war es nachgerade gewohnt und ertrug es mit philosophischer Gelassenheit. Dabei arbeitete er heute noch ebenso unermüdlich wie vor einem Vierteljahrhundert und vertrat die Ansicht, daß das Flugzeug von einem Abschluß seiner Entwicklung noch weit entfernt sei.
Im Gegensatz zu manchen anderen Flugzeugfabriken befaßten sich die Eggerth-Werke auch mit dem Bau der Flugzeugmotoren, und ein gutes Stück der Lebensarbeit des Professors steckte darin. »Der Motor ist das Herz des großen Vogels«,