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März. Noch kaum Frühling, und doch gab mir die auch in Florida für diese Jahreszeit ungewöhnliche Schwüle das Gefühl, aus dem Flugzeug direkt in das Maul eines Rottweilers zu treten. Zum hundertsten Mal seit meiner Ankunft verfluchte ich mich, weil ich mir die Everglades als Urlaubsziel ausgesucht hatte. Auch meine Frisur reagierte ziemlich ungehalten.
Ich konnte zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wissen, dass schlaffes Lockenhaar das geringste meiner Probleme sein und sich mein Urlaubsziel sehr schnell in einen dunklen und grausigen Ort verwandeln würde. In der ersten Stunde in den Everglades war ich einfach nur verschwitzt und genervt.
Das Daniel Beard Research Center war im Kalten Krieg eine Raketenbasis gewesen und sah immer noch so aus, obwohl man ihm inzwischen einen flamingorosa Anstrich verpasst hatte. Die Farbe ließ das Logo des National Park Service so richtig knallen. Als ich die Tür aufstieß, war mir die übereifrige Klimaanlage sehr willkommen. Ich bekam sofort eine Gänsehaut, doch mein schlapper Pferdeschwanz war zu hinüber, um sich noch zu erholen.
Ich durchquerte den öffentlichen Bereich in Richtung der Geschäftsräume des Gebäudes. Eine Frau hinter einem zerkratzten hölzernen Schreibtisch beobachtete mich, während ich mich näherte. Beige Haare, beige Haut, korallenrote Lippen. Der strenge Blick sagte mir, dass sie ihre Torwächterpflichten gewissenhaft erfüllte. Im Ernst? Musste das South Florida Natural Resources Center wirklich beschützt werden?
»Dr. Tempe Brennan«, sagte ich so fröhlich, wie ich konnte. »Ich möchte gern zu Dr. Robbin.«
»Ich habe Sie hier nicht als Besucherin eingetragen«, erwiderte die Torwächterin, ohne den Blick zu senken, um auf eine Liste zu schauen.
Ich lächelte entwaffnend. Sie nicht.
Ich lächelte weiter, bis meine Gegnerin nachgab und sagte: »Die Vogeldame ist in Labor B.« Sie hielt mir ein Klemmbrett vor die Nase. »John Hancock Building.«
Nachdem ich mich eingetragen und ins starre Auge einer Kamera geschaut hatte, die schließlich einen Besucherausweis ausspuckte, ging ich, mein ernst dreinblickendes Konterfei an der Brust, den Gang entlang. An die Wand gemalte Pfeile führten mich zu Labor B. Durch das kleine rechteckige Fenster in der Tür sah ich eine zierliche Blondine, die über eine Edelstahlpritsche gebeugt stand.
Ich klopfte mit den Fingerknöcheln ans Glas, und die Frau schaute hoch und kniff die Augen zusammen. Als sie mich erkannte, zog sie die Maske herunter und zeigte ein breites Grinsen. Froh, mich zu sehen, oder amüsiert über mein verwelktes Aussehen? Die Frau winkte mit latexumhüllter Hand.
Das Labor roch nach Chemikalien und Verwesung, eine vertraute Mischung, die mich eher an die Arbeit und weniger an Sand und Strand denken ließ. Zum Glück würde dieser Abstecher nicht lange dauern – ich war nur hier, um die Schlüssel zum Haus meiner Gastgeberin abzuholen. Der neueste Roman von Jodi Picoult wartete in einer Strandtasche in meiner Reisetasche. Tschüss, Winterstiefel, hallo, Flipflops.
»Tempe!« Lisa Robbin schoss herbei, um mich zu umarmen, eine Geste, die, bei ihrer Größe, ihren Kopf irgendwo in die Höhe meines Bauchs brachte. Ich drückte sie einmal schnell, wie es Nichtumarmer eben tun.
»Tut mir leid, dass ich dich nicht wie versprochen vom Flughafen abholen konnte. Ich weiß, wie umständlich es ist, mit dem Taxi hierherzufahren. Aber ich habe eben eine Rekordmenge an Paketen erhalten.« Lisa deutete zu dem Untersuchungstisch, der sieben Klumpen enthielt, die an dehydrierte überfahrene Tiere erinnerten.
Dr. Lisa Robbin war ein Vögelchen, nicht nur dem Namen nach, auch durch Eigenart und Berufung: Sie war Leiterin des Smithsonian Feather Identification Lab und eine Pionierin der forensischen Ornithologie. Wir hatten uns bei Beratereinsätzen in einem Fall in South Texas kennengelernt. Ein Bus, in dem ein Schmuggler von exotischen Vögeln und seine Beute saßen, war über ei