1. KAPITEL
„Übrigens, letzte Woche habe ich zufällig Rodas getroffen“, sagte Anatole Zikos, der seinen Sohn Leo ursprünglich angerufen hatte, um ihm zu seinem jüngsten geschäftlichen Erfolg zu gratulieren. „Dein zukünftiger Schwiegervater schien mir etwas … ungeduldig, wann ihr endlich ein Datum für die Hochzeit festsetzt. Immerhin seid ihr seit drei Jahren verlobt, Leo. Wann hast du denn vor, Marina zu heiraten?“
„Wir treffen uns heute Mittag zum Essen“, wich Leo der besorgten Frage amüsiert aus. „Aber wir haben beide nicht vor, etwas zu überstürzen.“
„Nach drei Jahren kann euch das auch niemand vorwerfen“, entgegnete Anatole trocken. „Bist du sicher, dass du das Mädchen überhaupt heiraten willst? Es ist ja nicht so, als hättest du Kouros Electronics heutzutage noch nötig.“
„Darum geht es doch gar nicht“, entgegnete Leo pikiert. „Es ist eine Frage der Vernunft. Marina wird einmal die perfekte Ehefrau für mich sein.“
„Es gibt keineperfekte Ehefrau, Leo.“
Unwillkürlich dachte Leo an Cleta, seine Mutter, und biss sich auf die Zunge, ehe er etwas sagte, was er bereuen würde. Die Ehe seiner Eltern war lange Zeit ein Kriegsschauplatz gewesen, nicht zuletzt weil sein Vater sich über Jahre eine Zweitfamilie mit seiner Geliebten und deren Kind geleistet hatte. Auch nach dem Tod der Geliebten waren die Spannungen zwischen Leos Eltern nicht besser geworden, da der uneheliche Sohn in Anatoles Haus aufgenommen worden war. Genau wie sein Halbbruder war Leo, kaum dass er erwachsen war, vor diesem Unfrieden geflohen und hatte es ebenso wie Bastien ohne Hilfe in wenigen Jahren zum Selfmade-Milliardär gebracht.
Seine Eltern lebten seit einiger Zeit gütlich getrennt, was es Leo ermöglicht hatte, sich mit seinem Vater auszusöhnen. Lange Zeit hatte er ihm nicht verzeihen können, dass er mit seiner notorischen Untreue seine Mutter unglücklich gemacht und die Atmosphäre in der Familie vergiftet hatte. Cleta Zikos war im Herzen eine enttäuschte, verbitterte Frau geblieben, die den Anblick des unehelichen Sohnes ihres Mannes nicht ertragen konnte.
Am anderen Ende der Leitung seufzte Anatole, als sein Sohn schwieg. „Ich möchte doch nur, dass du in deiner Ehe glücklich wirst, Leo.“
„Das werde ich“, erklärte Leo zuversichtlich und beendete lächelnd das Gespräch.
Das Leben meinte es gut mit ihm, sehr gut sogar. Nicht nur war er groß, dunkelhaarig und athletisch – der Traum vieler Frauen. Er war auch überaus reich und erfolgreich. Sein Vater hatte also durchaus recht, dass Leo Marina nicht heiraten musste, um auf diese Weise in den Besitz des Elektronikkonzerns ihres Vaters zu gelangen. Aber er hatte Marina nie ihres Geldes wegen heiraten wollen.
Als Leidtragender der explosiven Auseinandersetzungen in seinem Elternhaus hatte Leo schon mit achtzehn eine Liste mit Eigenschaften aufgestellt, die seine zukünftige Ehefrau aufweisen sollte. Marina Kouros genügte ihr in allen Punkten. Sie war reich, schön und intelligent und entstammte denselben exklusiven Kreisen, in denen er aufgewachsen war. Sie hatten sehr viel gemeinsam, waren aber nicht ineinander verliebt, geschweige denn eifersüchtig. Ihre Ehe würde eine Vernunftehe auf der Basis von Freundschaft und Partnerschaft sein. Nein, mit Marina, die er seit dem Kindergarten kannte, musste Leo keine unangenehmen Überraschungen befürchten.
Zufrieden mit sich und seinem Leben, ließ sich Leo zu dem Jachthafen an der Côte d’Azur chauffieren und ging an Bord derHellenic Lady, einer der größten Privatjachten der Welt. Mit fünfundzwanzig hatte er seine erste Milliarde gemacht, und seitdem gönnte er sich nach einem abgeschlossenen Deal wie jetzt gelegentlich eine Auszeit auf seiner Luxusjacht.
„Schön, Sie wieder an Bord zu haben, Sir“, begrüßte ihn sein englischer Kapitän. „Miss Kouros erwartet Sie im Salon.“
Marina, eine schlanke, elegante Brünette, bewunderte gerade ein Gemälde, das er erst vor Kurzem erworben hatte. Bei Leos Eintreten wandte sie sich lächelnd um.
„Deine Nachricht hat mich etwas überrascht.“ Leo küsste sie auf die Wange. „Ich wusste gar nicht, dass du in der Gegend bist.“
„Ich bin unterwegs zu einem Wochenendtrip mit Freunden und dachte, wir sollten uns mal wieder kurzschließen. Ich glaube, mein Vater streut Gerüchte über eine bevorstehende Hochzeit …“
„Neuigkeiten verbreiten sich schnell“, meinte Leo trocken. „Anscheinend wird dein Vater etwas ungeduldig.“
Marina seufzte. „Er hat seine Gründe. Ich war in letzter Zeit wohl etwas indiskret.“
„Inwiefern?“
„Hatten wir uns nicht geeinigt, dass wir uns bis zur Heirat keine Erklärungen schuldig sind?“, protestierte sie.
„Wir waren uns einig, dass wir unserer eigenen Wege gehen, bis die Ehe uns bindet“, räumte er ein. „Aber als dein Verlobter habe ich doch wohl das Recht, zu erfahren, was du mit ‚indiskret‘ meinst?“
„Also gut!“ Ein wenig trotzig warf sie ihren Seidenschal aufs Sofa. „Ich habe gerade eine heiße Affäre, und es hat etwas Gerede gegeben.“
„Wie heiß?“, erkundigte sich Leo sanft.
Marina verdrehte lachend die Augen. „Du bist keine Spur eifersüchtig, stimmt’s?“
„Nein, aber ich wüsste doch gern, w