1. KAPITEL
Devon McAllister ging an einer von Bäumen gesäumten Nebenstraße entlang. Sie war sich nicht ganz sicher, wo sie war, ahnte aber, dass sie sich sehr weit vom Gelände der Kommune entfernt hatte. Sie fühlte sich jedoch ausreichend sicher, um sich nicht mehr sofort zu verstecken, sobald sie hörte, dass sich ein Fahrzeug näherte. Inzwischen war sie seit mindestens acht Stunden unterwegs und sah, wie es hinter den zurückliegenden Bergen langsam hell wurde. Das bestätigte ihr, dass sie nach Westen unterwegs war, an die Küste. Devon trug ihre dreijährige Tochter Mercy auf dem Arm und einen Rucksack vollgestopft mit Kleidungsstücken auf dem Rücken. Außerdem hatte sie vierzig Dollar, die ihr ein gutherziger Unbekannter geschenkt hatte, der sie ein kurzes Stück mitgenommen hatte.
Sie war erschöpft, wollte allerdings nicht eher rasten, bis sie den Highway 101 erreicht hatte. Zwischendurch ließ sie Mercy immer mal wieder runter und ging mit ihr an der Hand. Doch dann kamen sie nur unerträglich langsam voran. Sowie sie Motorengeräusche hörte, ließ sie den Kopf sinken und schaute zu Boden.
Es war ein Geländewagen – er fuhr zunächst an ihnen vorbei, hielt aber abrupt vor ihnen. Das Auto war johannisbeerrot und alt, dennoch in einem guten Zustand. Ein Mann stieg aus und rief ihr zu. „Miss? Brauchen Sie eine Mitfahrgelegenheit?“
Sie schritt auf den Wagen zu. „Bin ich in der Nähe vom Highway 101?“, fragte sie.
„Da fahre ich hin. Ich bin auf dem Nachhauseweg“, erwiderte er. „Ich kann Sie mitnehmen.“
Der ältere Mann trug eine weiß-rot-blaue Baseballkappe, und seine Wangen und das Kinn hatten ein paar Stoppeln, die er beim Rasieren übersehen haben musste. Obwohl Juni war, hatte er eine Jacke an. Es war neblig, was den Schluss nahelegte, dass sie in einem Tal in der Nähe des Pazifischen Ozeans waren.
„Wohin sind Sie unterwegs?“, fragte Devon.
„Thunder Point“, antwortete er. „Das ist eine kleine Stadt an der Küste in Coos County. Ich arbeite in einer Strandbar und öffne den Laden pünktlich zur Frühstückszeit. Bin schon ein paar Jahre da. Hier in der Gegend gibt’s vor allem Fischerdörfer.“
Sie hatte es also geschafft, Douglas County zu verlassen, war sich aber nicht sicher, wo Coos County lag. Sie hatte überhaupt keine Ahnung, wo irgendetwas lag. Devon war nur selten außerhalb des Geländes ihrer Kommune und noch nie in einer der kleinen Städte an der Küste gewesen. Dennoch wusste sie, dass der Highway 101 sich so weit nach Norden und Süden erstreckte wie nötig. Der Highway 5 war befahrener und befand sich näher an dem Gelände der Gemeinschaft. Falls irgendwer nach trampenden Ausreißern suchte, hätte er dort mit Sicherheit mit seiner Suche begonnen. „Wie weit ist der Highway 101 von Ihrer Stadt entfernt?“
„Ziemlich nah dran. Soll ich Sie dort absetzen?“
Sie trat auf den Geländewagen zu. „Danke“, meinte sie. „Sind Sie sicher, dass es Ihnen nichts ausmacht, uns mitzunehmen?“
„Kein Problem“, antwortete er.
Devon legte ihren Rucksack auf die Rücksitzbank und behielt Mercy nach dem Einsteigen