: Brigitte Hamann
: Die Familie Wagner
: Rowohlt Verlag Gmbh
: 9783644575127
: 1
: CHF 10.00
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 171
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Wagners sind - ähnlich wie die Familie Mann - ein kleiner Kosmos für sich. Bei Richard Wagner und den Seinen mischen sich Genie und Größenwahn, Kunst und Politik, Weltanschauung und Geschäftssinn auf unverwechselbare Weise. Brigitte Hamann gibt einen Überblick über die Geschichte der Familie - vom Gründervater bis in die jüngste Zeit. Das Bildmaterial der Printausgabe ist in diesem E-Book nicht enthalten.

Brigitte Hamann, geb. 1940 in Essen, Studium der Geschichte und Germanistik in Münster und Wien. 1964 Redakteurin in Essen, 1965 Heirat mit dem Historiker Prof. Dr. Günther Hamann und Übersiedlung nach Wien, seither auch österreichische Staatsbürgerin. Drei Kinder, geboren 1966, 1968 und 1972. 1978 Wiener Dissertation über «Das Leben des Kronprinzen Rudolf nach neuen Quellen», die gleichzeitig als Buch erschien. Arbeitete als freie Historikerin. Brigitte Hamann starb 2016 in Wien. Ihr erfolgreichstes Buch ist die Biographie der Kaiserin Elisabeth (1981) mit zahlreichen Übersetzungen, auch ins Chinesische und Japanische. Starke Beachtung fanden die Studien «Hitlers Wien» (1996) und «Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth» (2002). Außerdem veröffentlichte sie ein Buch über Max von Mexiko (1983), eine Biographie Bertha von Suttners (1986), «Der Erste Weltkrieg in Bildern und Texten» (2004) und «Hitlers Edeljude. Das Leben des Armenarztes Eduard Bloch» (2008), einige Editionen, darunter das «Biographische Lexikon der Habsburger» (1988), auch zwei historische Kinderbücher, viele wissenschaftliche Aufsätze.

Cosima und Siegfried (1883–1930)


Mit Wagners Tod endet Cosimas Tagebuch. Sein Name darf in ihrer Anwesenheit nicht genannt werden. Wenn sie ihn zitiert, sagt sieDies wurde gesagt oder Ähnliches. Felix Weingartner: «Als wäre Wagner niemals menschlich auf dieser Erde gewandelt, so klang es in dieser Ausdrucksweise seiner Witwe. Die Kinder hielten in ihrer Gegenwart diesen Ton streng ein, ließen ihn aber sofort fallen, wenn die Mutter abwesend war. Dann sprachen die Mädchen ganz einfach vom ‹Papa›, während Siegfried meistens mit dem ihm eigenen, etwas melancholischen Tonfall ‹mein Vater› sagte.» (Weingartner II, 260f.)

Im Sommer 1883 finden die vorgesehenen Aufführungen desParsifal in Abwesenheit der in Trauer versunkenen Cosima statt. Die Besetzung ist fast die gleiche wie im Vorjahr. Carrie Pringle ist nicht engagiert.

Bei den Festspielen 1884 – wieder nurParsifal – habe die künstlerische Disziplin nachgelassen und einer weitestgehenden Willkür Platz gemacht, berichtet Daniela:Mehr und mehr verwischten sich die großen Linien der Regiegebung, mehr und mehr schien sich der 1882 geschaffene Stil des hehren Werkes zu verflüchtigen, ja drohte gänzlich zu verschwinden. Damals seidie einst so getreue Gralsgefolgschaft des Meisters zu einer mut- und führerlosen Ritterschaft herabgesunken. Daniela, motiviert von Fritz Brandt, dem technischen Leiter der Festspiele, bewegt Cosima zum Inkognito-Besuch desParsifal und schreibt darüber:Wie ein Blitzstrahl, versengend und erhellend zugleich, fuhr es da in die Todesnacht ihrer Seele. In höchstem Schrecken sah sie das Werk, die Krönung eines ganzen Meister- und Märtyrerlebens gefährdet nicht nur, nein, der Profanierung, dem sicheren Untergang preisgegeben. In dem furchtbar grellen Licht solcher Erkenntnis entrang sich ihr ein stilles Gelübde. Ihre Sendung stand plötzlich leuchtend und mahnend vor dem innersten Auge da, sie erfaßte sie, so wie wohl der Gläubige das Kreuz umfaßt; das Leid war zur Wiedergeburt gewandelt, sie war dem Leben, das Werk war dem Leben gerettet. (StA Coburg)

Nun nimmt Cosima die Zügel fest in die Hand. Sie lässt sich auf der Bühne einen Verschlag bauen, um Proben wie Aufführungen genau zu kontrollieren, und stellt laut Daniela denvon fremden Einflüssen tief bedrohten Parsifalin seiner vollen Reinheit wieder her. (StA Coburg) Für eine Neuorientierung schiebt sie 1885 ein Freijahr ein. Sie hat viele treue Helfer: die Dirigenten Hans Richter, Hermann Levi und Felix Mottl, musikalische Assistenten wie Engelbert Humperdinck und Heinrich Porges und viele andere. Zur Belohnung für ihre Mühen sind die Helfer – in feiner Rangordnung – in den äußeren oder inneren Kreis der «Heiligen Familie» zugelassen und werden vom Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick als «Betbruderschaft vom heiligen Richard» verhöhnt.

Für die Zukunft der Familie wie der Festspiele ist der ehrenamtliche Finanzberater Adolf von Gross der wichtigste Helfer. Er klärt mit den verschiedenen Verlegern die Rechte an Wagners immer häufiger gespielten Werken und baut konsequent und erfolgreich ein stattliches Vermögen auf. Die Familie unterstützt seine Bemühungen, indem sie nun konsequent spart.

Nach Cosimas Konzept soll Bayreuth fortan das Muster für Wagnerinszenierungen in aller Welt vorgeben, und zwar durch die Rekonstruktion jener Inszenierungen, die Wagner selbst erarbeitete oder billigte und auf denen jedenfallsdas Auge des Meisters geruht habe. Die Bayreuther Inszenierungen desRings undParsifal werden unverändert weiter gespielt. Für 1886 erarbeitet Cosima als RegisseurinTristan und Isolde nach dem Muster der Münchner Uraufführung von 1865. Das Bayreuther Motto heißt nun laut Da