: Hans-Martin Lohmann
: Sigmund Freud
: Rowohlt Verlag Gmbh
: 9783644575721
: Rowohlt Monographie
: 1
: CHF 10.00
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 163
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Sigmund Freud (1856-1939) hat wie kaum ein anderer die Debatte um das Selbstverständnis des modernen Menschen bereichert. Auch wenn Befürworter und Gegner über seine Erfindung, die Psychoanalyse, erbittert streiten mögen, auch wenn die Revision zeitgebundener Anschauungen in seinem Werk notwendig sein mag, die grundlegenden Einsichten der Wissenschaft vom Unbewussten haben ohne Zweifel Bestand. Das Bildmaterial der Printausgabe ist in diesem E-Book nicht enthalten.

Hans-Martin Lohmann, geboren 1944 in Bergneustadt im Oberbergischen, aufgewachsen in Düsseldorf und Bad Godesberg, lebte als freier Lektor und Autor in Frankfurt a. M. Von 1992 bis 1997 war er leitender Redakteur der psychoanalytischen Fachzeitschrift «Psyche». Für die Reihe «rowohlts monographien» schrieb er 1987 den Band über Alexander Mitscherlich (rm 50365). Er starb 2014 in Frankfurt.

Auf dem Weg zur Psychoanalyse. Die Freundschaften mit Breuer und Fließ
(1887–1899)


Umso wichtiger wurde Freud zunächst seine Freundschaft mit dem älteren Josef Breuer, sodann die mit dem «charismatischen» (Eli Zaretsky) Wilhelm Fließ. Schon zu Beginn der achtziger Jahre hatte ihm Breuer von einer Patientin berichtet – in der medizinischen Literatur als «Anna O.» bekannt, hinter der sich die später als jüdische Frauenrechtlerin berühmt gewordene Bertha Pappenheim verbarg –, die an schwersten hysterischen Symptomen litt. Breuer, ein ungewöhnlich fähiger Arzt und Forscher, hatte eher zufällig die Beobachtung gemacht, dass die Patientin im Zustand der Hypnose in der Lage war, sich detailliert an die Ursprungssituation zu erinnern, die das hysterische Symptom hervorgebracht hatte, und dabei den seinerzeit unterdrückten Affekt zu artikulieren, woraufhin das Symptom verschwand. Dieser interessanten Beobachtung, die gewissermaßen am Anfang der Psychoanalyse steht – und Freud war später im Ganzen fair genug, Breuers gewichtigen Anteil an seiner «Erfindung» zu würdigen –, hatte Freud zunächst wenig Beachtung geschenkt. Jetzt aber, wo er sich eingestehen musste, dass die herkömmlichen Heilpraktiken wenig fruchteten, kam er darauf zurück, zumal sich diesmal wirklich Erfolge zeigten.Wir fanden […] zu unserer größten Überraschung, heißt es im einleitenden Kapitel der gemeinsam mit Breuer verfasstenStudien über Hysterie von 1895, die zu Recht als das «Urbuch der Psychoanalyse» (Ilse Grubrich-Simitis) bezeichnet worden sind[60],daß die einzelnen hysterischen Symptome sogleich und ohne Wiederkehr verschwanden, wenn es gelungen war, die Erinnerung an den veranlassenden Vorgang zu voller Helligkeit zu erwecken, damit auch den begleitenden Affekt wachzurufen, und wenn dann der Kranke den Vorgang in möglichst ausführlicher Weise schilderte und dem Affekt Worte gab. Freud und Breuer kamen zu dem Fazit,der Hysterische leide größtenteils an Reminiszenzen[61], an Reminiszenzen, so muss man hinzufügen, die mit einem ursprünglichen Trauma zusammenhängen.

Während aber Breuer seine sogenannte kathartische Methode nur bei dieser einen Patientin, eben bei «Anna O.», anwandte, erkannte Freud ihren umfassenderen Sinn und erhob sie in den Rang einer bevorzugten Behandlungstechnik. Dabei stellte er im weiteren Verlauf fest,daß nicht beliebige Affekterregungen hinter den Erscheinungen der Neurose wirksam waren, sondern regelmäßig solche sexueller Natur, entweder aktuelle sexuelle Konflikte oder Nachwirkungen früherer sexueller Erlebnisse. Das Postulat der sexuellen Ätiologie der Neurosen, das im Folgenden eine so gravierende Rolle für Freud spielen sollte, gewann er zunächst und ausschließlich an der Hysterie, um es sodann auf alle Formen von Neurose auszudehnen.Ich ging über die Hysterie hinaus und begann, das Sexualleben der sogenannten Neurastheniker zu erforschen, die sich zahlreich in meiner Sprechstunde einzufinden pflegten. Dieses Experiment kostete mich zwar meine Beliebtheit als Arzt, aber es trug mir Überzeugun