Soziale Kompetenz – durch Musikerziehung
Sie ist in aller Munde: die Gewalt als soziales Phänomen, als Mittel, sich in der Gesellschaft zu behaupten – nicht in irgendeiner Gesellschaft, sondern exakt in unserer Gesellschaft.Es sind unsere Kinder, so titelte die ZEIT-Herausgeberin Gräfin Marion Dönhoff einen Leitartikel zur Gewalteskalation – soziale Deformation und Inkompetenz provokativ auf den Punkt gebracht. Das Horrorszenario liest sich so erschreckend wie eindrucksvoll:
Die Kinderkriminalität nimmt zu. Die Delinquenten werden immer jünger. [...]Morddrohungen gegen Lehrer häufen sich, Polizeirazzien sind in nicht wenigen deutschen Schulen Alltag [...].Einer Bonner Studie zufolge kommen die Täter mit Baseballschlägern, »Butterfly-Messern«, Gaspistolen und Schlagringen zum Unterricht; die Opfer wappnen sich dagegen mit Reizgas. Die Hemmschwelle ist niedrig geworden. Weitere Schreckensnachrichten sind nachzulesen [...].Die Berichte von Landeskriminalämtern, Jugendpsychologen und Polizei variieren in den Zahlen, doch alle bestätigen eine Zunahme von Gewaltdelikten. [...]Alle sprechen von einer »Dunkelziffer«, weil die Schüler aus Angst vor ihren Erpressern die Vorfälle weder in der Schule noch zu Hause melden.
Zwei Fragen drängen sich nach Dönhoff auf. Erstens: Warum soviel Gewalt? Warum diese Brutalität? Zweitens: Was kann man dagegen tun?
Das Münchner Institut für Schulpädagogik hat die Leiter von 3 600 bayerischen Schulen befragt. Deren Erklärung: fehlendes Unrechtsbewusstsein, Intoleranz, extreme Ich-Bezogenheit. Als Ursachen nennen Experten die Verwahrlosung der Eltern-Kind-Beziehung, die Beschränkung des Kontaktes auf das Nötigste, die fehlende Definition der Elternrolle in der Grenzverwischung zwischen den Generationen. Und alle beobachten die Folgen des Fernsehens: Viele Kinder meinen, die Wirklichkeit sei ein Abbild der Filme. Deswegen ist Gewalt für sie ein normales und probates Mittel zur Lösung von Konflikten.
Sollten wir uns darüber verwundern? Im Grunde nicht. Wenn Sendeformate wieBig Brother oder das so genannteInsel-Duell eine (ökonomische, nur darum geht es!) Chance haben, im gleichen Zuge aber Formate wie derBaden-Badener Disput abgeschafft werden, darf man sichtbar die Stirn runzeln. Wenn es nur noch darum geht, dass einer oder eine am Ende übrig bleibt – gleich, ob der Stärkste, der Dümmste, die Schönste, die Aufregendste –, so ist die Gewalt sozusagen als Überlebensmittel in dieser Gesellschaft sanktioniert. Karl Kraus’ Aphorismus hat seine späte Bestätigung in unserer Gegenwart erhalten:Wer anderen keine Grube gräbt, fällt selbst hinein.
Was kann man da noch tun? Dazu Marion Dönhoff:
Der Versuch, allein mit Verbot und Strafe etwas zu erreichen, ist hoffnungslos. Seit zwei Jahren finden sich darum allenthalben Organisationen und Privatpersonen zusammen, um durch Antigewaltprojekte, Präventivmaßnahmen und das Aufzeigen von Alternativen bei Konflikten Versöhnung zu bewirken. Kinder- und Jugendaktionsprogramme etwa in Hamburg, Berlin und Bayern, so begrüßenswert sie auch sind, haben oft weniger Erfolg als erwünscht.
Die Publizistin klagt an:
Wenn die Gesellschaft keine verbindlichen ethischen Maßstäbe hat, wenn sich alles um den materiellen und kommerziellen Erfolg dreht, wenn Mitglieder des Vorstands einer Großbank wegen Steuerhinterziehung zurücktreten und gegen Hunderte von Ärzten wegen Betrügereien ermittelt wird, dann kann man von Jugendlichen nicht viel erwarten.
Ihrer Schlussfolgerung ist nur zuzustimmen:
Wir müssen erst einmal unsere Gesellschaft zivilisieren, für eine humane Dimension des Zusammenlebens sorgen und für mehr Interesse an ge