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Hunderte von Kerzen brannten in mächtigen Kronleuchtern und tauchten die Gästeschar darunter in sanftes bernsteinfarbenes Licht. An modernen Leuchtmitteln mangelte es nicht etwa, weil das Anwesen einmal eine mittelalterliche Festung gewesen war. Nein, der Eigentümer war ein pyrokinetisch begabter Vampir, und Feuer war sein Element.
Ich hockte in luftiger Höhe auf einem Deckenbalken, um mir eine kurze Auszeit von den Spionagetätigkeiten zu gönnen, die ich mir für den heutigen Abend vorgenommen hatte. Die Gäste, die sich tief unter mir tummelten, trugen allesamt Masken und Kostüme, aber selbst wenn man Fänge und grün leuchtende Augen nicht sehen konnte, war leicht zu erkennen, wer Mensch war und wer nicht. Vampire hatten eine natürliche Grazie an sich, die ihre Bewegungen fließend wirken ließ wie Wasser, das über Steine strömt. Ihre sterblichen Gegenüber hingegen … na ja, sagen wir, ihnen fehlte diese Finesse. Wofür sie nichts konnten. Sie besaßen eben einfach nicht die übernatürliche Gabe, jeden Muskel in ihrem Körper einzeln kontrollieren zu können.
Und bis vor wenigen Wochen war das bei mir nicht anders gewesen. Die Bluttrinkerei war eben nicht der einzige Nebeneffekt, wenn man zum Vampir wurde. Auch die Fähigkeit, für kurze Zeit die Elektrizität zurückzuhalten, die in meinem Körper floss, seit ich mit dreizehn eine abgerissene Überlandleitung berührt hatte, besaß ich erst, seit ich ein Vampir war.
Die Kerzen in den Kronleuchtern loderten heller, als ein Mann auf den Balkon über dem Ballsaal trat. Und als hätte das nicht ausreichend auf sein Erscheinen hingewiesen, flammte noch seine Aura auf und sandte unsichtbare Ströme aus, die den Saal durchfluteten. Als sie mich trafen, hatte ich das Gefühl, von einem elektrischen Energiefeld eingeschlossen zu werden, was angesichts der energetischen Ladung meines eigenen Körpers einer gewissen Ironie nicht entbehrte. Lediglich eine Handvoll Meistervampire besaß Auren, deren Größe ausgereicht hätte, um den riesigen Ballsaal auszufüllen. Vlads Aura war so mächtig, dass ein Neonschild seine Identität nicht deutlicher hätte kundtun können.
Weshalb auch seine Verkleidung überflüssig war. Unter der aus dem FilmV wie Vendetta bekannten Maske erkannte man ein mit dunklen Bartstoppeln bedecktes Kinn, hohe Wangenknochen, geschwungene Augenbrauen und Augen wie poliertes Kupfer in einem smaragdfarbenen Ring. Der schwarze Smoking umschmeichelte elegant seinen schlanken, muskulösen Leib, sodass man geradezu animiert wurde, sich zu fragen, was erverbarg. Als er eine Hand hob, um den Musikern Stille zu gebieten, blitzte das Kerzenlicht auf seinem Ehering, sodass die verschlungenen Goldbänder kurz aufflammten.
»In einer Stunde werden die Masken abgenommen«, verkündete er, einen leicht slawischen Akzent in der kultivierten Stimme. Dann trat ein gleichermaßen charman