Es ist ein Ort, den man nur einmal im Leben betritt. In den man hineinfällt wie Alice ins Wunderland, aus Versehen und unvermittelt, auf diese seltsame und wundersame Art und Weise.
Ich selbst bin klein, der Ort sehr groß. Alles in diesem Haus ist warm und hell. Der Boden unter den nackten Füßen glattes Teakholz, gebohnert, nicht einmal Staubkörner, selbst in der Luft nicht, wo man sie eigentlich sehen müsste, jetzt, wo die Sonne den Raum in Streifen schneidet und auf diese besondere Art so golden scheint, dass Amelies Haare aussehen wie ein rotes Flammenmeer.
Also merken: keine Staubkörner im Wunderland.
Im Hintergrund Amelies Lachen, aus den Augenwinkeln sehe ich, wie sie sich rücklings auf das riesige Sofa fallen lässt und mit den Füßen in die weißen Kissen trommelt. »Hammer! Hammer! Hammer!«
»Und das Haus gehört deinem Onkel?«
Meine eigene Stimme klingt seltsam, ein fremder, belegter Laut hier drinnen im Wunderland.
»Ja, hab ich doch gesagt.«
Seine Antwort: einsilbig, wie immer. Sein Blick: ausweichend, auch wie immer, so als hätte er aus Versehen was fallen gelassen und würde auf dem Boden danach suchen. Nur dass Jacob gar nichts fallen gelassen hat. Dass er einfach stehenbleibt und in eine andere Richtung schaut. Aber dann geht er weg, irgendwohin, während ich noch dastehe und glotze: Hinter dem Wohnzimmer öffnen sich Flügeltüren in Richtung Meer, der Raum ist geschlossen und doch offen, weiße Vorhänge bauschen sich in der Brise, wie in einem Kitschfilm von Rosamunde Pilcher.
Jetzt müsste er eigentlich Arzt sein und blond und ganz weiße Zähne haben. Und ich müsste eine junge Frau im Blümchenkleid sein, die gerade mit dem Fahrrad angefahren kam und es draußen an die Mauer eines alten Cottage gelehnt hat. Nicht dass ich jemals einen Rosamunde-Pilcher-Film gesehen hätte. Nicht vollständig jedenfalls.
Das hier ist nicht Rosamunde Pilcher. Es ist alles andere, aber kein Cottage. Keine Südküste Englands, keine Steilfelsen, sondern Strand, Palmen, und eine Hitze, die sich auf die Haut legt wie ein nasser Waschlappen.
Im Hintergrund seine Stimme: »Will jemand Bier? Oder doch lieber einen Cocktail?«
Ich bezweifele, dass ihn jemand gehört hat. Alles, was ich höre, ist wildes Kreischen und Lachen und Wortbrocken wie »Waaaaahhhhnsin!« und »Megageil!«
Von irgendwoher helles Johlen und das Klatschen eines Körpers auf Wasser: Ich wette alles darauf, dass es Nelli ist, die als Erste in den Pool gesprungen ist, egal, was sie gerade anhat, vielleicht hat sie sich auch einfach ausgezogen und einen oder zwei der Jungs mit sich gezogen.
»Lizzy!«, kreischt sie, nachdem sie wieder aufgetaucht ist. »Liz, schau dir das an!«
Ich trete durch die Vorhänge auf die weitläufige Terrasse und stelle wieder fest: Der Übergang von drinnen nach draußen ist fließend, auch die Terrasse ist eigentlich ein Wohnzimmer: Liegen so breit wie Kingsizebetten, mit Kissen und Handtüchern zu Tieren geformt, kleinen Kunstwerken, Vögeln, Schmetterlingen. Orchideenzweige in Vasen, die Statuette einer abstrakten Frauenfigur. Alles minimalistisch, aber doch gemütlich, das riesige Bett von einem Baldachin umgeben, wieder diese bauschigen Vorhänge. Einige Bäume und Pflanzen wachsen direkt durch die Terrasse hindurch, durch sauber ausgeschnittene kreisrunde Aussparungen, meine Hand gleitet über den gebogenen Stamm