Bergziege
Bevor es am nächsten Tag in Richtung Amazonas gehen soll, haben sie am Morgen noch Zeit, sich einige Sehenswürdigkeiten in Salvador anzuschauen. Das Rumpelstilzchen will mit der Gruppe die Altstadt besichtigen, doch Mama hat ihr eigenes Programm.
Was? Eine Kirche besichtigen? Millie jammert jetzt schon.
»Kirche … das ist immer das Gleiche. Gold! Und heilige Leute aus Holz geschnitzt. Und eine Orgel und beten, beten, beten. Ich will zum Amazonas!«
»Ich auch!«, echot Trudelchen.
»Jaaa«, sagt Mama gedehnt. »Aber wenigstens diese eine Kirche. Die ist so besonders, weil dort ganz viele Wunder geschehen sind.«
»Und wie sollen wir zu dieser Wunderkirche kommen?«, fragt Papa.
»Taxi!«, schlägt Millie vor.
Schlau, was?
Mama nickt zum Glück.
So wird’s also gemacht.
Unterwegs sagt keiner was. Weil man gucken muss! Gucken und staunen!
Salvador ist eine riesige Stadt mit mehreren Millionen Einwohnern. Die Menschen dort leben in ganz eng beieinanderstehenden Häusern. Und dieses Häusermeer sieht aus wie eine große wackelige Mauer aus Kartonschachteln. Ein Karton über den anderen gestapelt. Wenn da jemand hustet oder pupst, dann hört es bestimmt das gesamte Viertel. Die bunten Kartonhäuser scheinen den Berg hinaufzuklettern. Hat Millie sogar schon im Fernsehen gesehen. Als es Fußball aus Südamerika gab. Und diese Stadtviertel haben auch einen eigenen Namen. Wie heißen die noch mal?
»Man nennt sie Favelas«, sagt Mama.
Ach ja. Hatte Millie nur vergessen.
Vor der Wunderkirche gibt es einen schmiedeeisernen Gitterzaun, an den unzählige farbige Wunschbänder geknotet sind.
»Kann man sich damit was wünschen?«, will Millie wissen.
»So ist es, mein Schatz.«
Mama hat sich bestens auf den Kirchenbesuch vorbereitet. Mit einem blauen Wunschband wünscht man sich was … für die Liebe.
Och nee.
Mit Gelb … Erfolg. Und mit Grün … Gesundheit.
Braucht Millie so was? Im letzten Mathetest hatte sie schon Erfolg. Nur einen Fehler! Na schön, sie könnte sich wünschen, im nächsten Winter keinen Schnupfen zu kriegen. Aber gibt’s da nicht noch was Besseres?
Lila ist für die Seele und Orange für die Glückseligkeit.
Glückseligkeit hört sich sehr gut an, doch Millie weiß nicht, was das genau ist.
Rosa ist für die Freundschaft. Kucki reicht ihr eigentlich. Und dann sind da ja auch noch die anderen Freunde, als Freunde in der zweiten Reihe. Zwei sind in der dritten Reihe, und einer ist in der Reihe ganz am Schluss! Aber ganz, ganz am Schluss! Das ist der Uhu.
Millie bekommt trotzdem ein Wunschband, eins in Lila, und das, weil Lila so eine schöne Farbe ist.
Und Trudel? Nimmt natürlich auch Lila. Weil sie immer das Gleiche haben will wie Millie.
Okechen!
Von der Decke in einem Nebenraum der Kirche hängen Beine und Arme und einzelne Hände herab. Ach du Schreck! Aber alles zum Glück nur aus Plastik. Es sind Dankesgaben, weil ein heiliger Mann den Leuten die echten Beine und Arme und Hände geheilt hat. Und vor Plastik muss keiner Angst haben, Trudelchen!
»Hab ich nicht«, sagt Millies kleine Schwester. Jetzt klatscht sie begeistert in die Hände. Denn in diesem Moment haben hunderttausend Leute in der KircheHappy Birthday angestimmt. Auf