: Ingrid Brodnig
: Hass im Netz Was wir gegen Hetze, Mobbing und Lügen tun können.
: Christian Brandstätter Verlag
: 9783710600593
: 1
: CHF 6.10
:
: Gesellschaft
: German
: 232
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Wir leben in zornigen Zeiten: Hasskommentare, Lügengeschichten und Hetze verdrängen im Netz sachliche Wortmeldungen. Die digitale Debatte hat sich radikalisiert, ein respektvoller Austausch scheint unmöglich. Dabei sollte das Internet doch ein Medium der Aufklärung sein: Höchste Zeit, das Netz zurückzuerobern. Das Buch deckt die Mechanismen auf, die es den Rüpeln im Internet so einfach machen. Es zeigt die Tricks der Fälscher, die gezielt Unwahrheiten verbreiten, sowie die Rhetorik von Hassgruppen, um Diskussionen eskalieren zu lassen. Damit die Aggression im Netz nicht sprachlos macht, werden konkrete Tipps und Strategien geliefert: Wie kann man auf untergriffige Rhetorik reagieren? Wie entlarvt man Falschmeldungen oder Halbwahrheiten möglichst schnell? Was tun, wenn man im Netz gemobbt wird? Denn: Wir sind den Rüpeln, Hetzern und Hassgruppen nicht hilflos ausgeliefert - die Gegenwehr ist gar nicht so schwer.

Ingrid Brodnig behagt die Tonalität im Netz nicht. Als Medienredakteurin des Nachrichtenmagazins profil und Autorin plädiert sie für eine sachliche digitale Diskussionskultur. Sie wünscht sich ein Internet, in dem Argumente Vorrang haben - und differenzierte Stimmen mehr Gehör finden.

1.WIE BRENZLIG DIE SITUATION IST


Es gab einen Schlüsselmoment, der mir die Ernsthaftigkeit der Lage klarmachte. Auf den ersten Blick war es ein unscheinbarer, harmloser Anlass, der mir dennoch monatelang in Erinnerung blieb, an den ich immer wieder denken musste, wenn ich im Internet wütende Kommentare oder auch Falschmeldungen las.

Im Juni 2015 führte ich ein Telefoninterview mit einer „besorgten Bürgerin“. Ich hatte damals für einen Artikel zum Thema „Lügenpresse“ recherchiert und Menschen auf Facebook angeschrieben. Mich interessierte, warum sie sich online so enttäuscht oder gar erzürnt über Journalisten äußerten. Das Problem: Die meisten wollten nicht mit mir reden, einige antworteten nicht, andere schrieben Sätze wie: „Uns interessieren ‚unabhängige Medien‘ wie Sie nicht – danke. Schreiben Sie einfach, was Sie wollen, Sie machen das sowieso.“ Auch wurde mir vorgeworfen, ich sei ohnehin „gekauft“.

Dann aber – endlich! – bekam ich eine Facebook-Nutzerin an den Apparat: eine zweifache Mutter aus Westösterreich. Nur unter der Voraussetzung und der Zusage, ihren Namen nicht zu veröffentlichen und private Details auszulassen, stimmte sie einem Interview zu.

Am Telefon hatte ich dann eine Frau, der die Angst regelrecht in der Stimme lag. „Ich steh in der Früh mit Zweifeln auf und leg mich abends mit Zweifeln nieder“, sagte sie. Sie war eine höfliche, gebildete, aber mir gegenüber durch und durch skeptische Interviewpartnerin. Sie wollte anonym bleiben, um später nicht als „Nazi“ beschimpft zu werden – ein Vorwurf, der online in ihren Augen zu leichtfertig ausgesprochen wird. Sie erzählte mir, sie üb