: Friedrich Glauser
: Walter Obschlager
: Schlumpf Erwin Mord - Wachtmeister Studer Einzige authentische Textfassung. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Walter Obschlager. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Walter Obschlager. Kriminalroman. Ein Wachtmeister-Studer-Roman
: Unionsverlag
: 9783293303409
: 1
: CHF 3.10
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 266
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der Mord im Gerzensteiner Wald, wo der Handelsreisende Witschi erschossen aufgefunden worden ist, scheint ein Routinefall zu sein: Der Verdächtige, ein Vorbestrafter, der im übrigen ein Liebesverhältnis mit der Tochter des Ermordeten hat, sitzt bereits in Untersuchungshaft auf dem Schloss Thun. Sein Versuch, sich in der Zelle zu erhängen, wird von Studer, Fahnder der Berner Kantonspolizei, im letzten Moment vereitelt. Was als Schuldbekenntnis ausgelegt werden könnte, wird für Studer zum Ausgangspunkt für seinen Kampf um Schlumpf, von dessen Unschuld er überzeugt ist.

Friedrich Glauser, geboren 1896 in Wien als Sohn einer Österreicherin und eines Schweizers, führte ein rastloses Leben. Unzählige Orte und Stationen säumten seinen Weg, darunter Erziehungsheime, Gefängnisse und psychiatrische Kliniken. Friedrich Glauser lebte in Frankreich, Belgien und Italien, war lange Zeit morphiumsüchtig, verbrachte einige Jahre in der Fremdenlegion und nahm teil an der Dadaismus-Bewegung in Zürich. Er starb 1938 in Nervi bei Genua.

Der Fall Wendelin Witschi zum Ersten


Ihr seid …« (Räuspern.) »Ihr seid der Wachtmeister Studer?«

»Ja.«

»Nehmt Platz.«

Der Untersuchungsrichter war klein, mager, gelb. Sein Rock war über den Achseln stark gepolstert und von lilabrauner Farbe. Zu einem weißen, seidenen Hemd trug er eine kornblumenblaue Krawatte. In den dicken Siegelring war ein Wappen eingraviert – der Ring schien übrigens alt.

»Wachtmeister Studer, ich möchte Euch sehr höflich fragen, was Ihr Euch eigentlich vorstellt? Wie kommt Ihr dazu, Euch eigenmächtig – ich wiederhole: eigenmächtig! – in einen Fall einzumischen, der …«

Der Untersuchungsrichter stockte und wusste selbst nicht, weshalb. Da saß vor ihm ein einfacher Fahnder, ein älterer Mann, an dem nichts Auffälliges war: Hemd mit weichem Kragen, grauer Anzug, der ein wenig aus der Form geraten war, weil der Körper, der darin steckte, dick war. Der Mann hatte ein bleiches, mageres Gesicht, der Schnurrbart bedeckte den Mund, sodass man nicht recht wusste, lächelte der Mann, oder war er ernst. Dieser Fahnder also hockte auf seinem Stuhl, die Schenkel gespreizt, die Unterarme auf den Schenkeln und die Hände gefaltet …

Der Untersuchungsrichter wusste selbst nicht, warum er plötzlich vom »Ihr« zum »Sie« überging.

»Sie müssen begreifen, Wachtmeister, es scheint mir, als hätten Sie Ihre Kompetenzen überschritten …« Studer nickte und nickte: natürlich, die Kompetenzen! … »Was hatten Sie für einen Grund, den Eingelieferten, den ordnungsmäßig eingelieferten Schlumpf Erwin noch einmal zu besuchen? Ich will ja gerne zugeben, dass Ihr Besuch höchst opportun gewesen ist – das will aber noch nicht sagen, dass er sich mit dem Kompetenzbereich der Fahndungspolizei gedeckt hat. Denn,Herr Wachtmeister, Sie sind schon lange genug im Dienste, um zu wissen, dass ein fruchtbares Zusammenarbeiten der diversen Instanzen nur dann möglich ist, wenn jede darauf sieht, dass sie sich streng in den Grenzen ihres Kompetenzbereiches hält …«

Nicht einmal, nein, dreimal das Wort Kompetenz … Studer war im Bild. Das trifft sich günstig, dachte er, das sind die Bösesten nicht, die immer mit der Kompetenz aufrücken. Man muss nur freundlich zu ihnen sein und sie recht ernst nehmen, dann fressen sie einem aus der Hand …

»Natürlich, Herr Untersuchungsrichter«, sagte Studer, und seine Stimme drückte Sanftmut und Respekt aus, »ich bin mir bewusst, dass ich wahr- und wahrhaftig meine Kompetenzen überschritten habe. Sie stellten ganz richtig fest, dass ich es bei der Einlieferung des Häftlings Schlumpf Erwin hätte bewenden lassen sollen. Und dann – ja, Herr Untersuchungsrichter, der Mensch ist schwach –, dann dachte ich, dass der Fall vielleicht doch nicht so klar liege, wie ich es anfangs angenommen hatte. Es könn