: Leo Frobenius
: Das Zuckerrohr der Königin Erotische Geschichten aus Afrika. Gesammelt und aufgeschrieben von Leo Frobenius. Gesammelt und aufgeschrieben von Leo Frobenius. Mit einem Nachwort von Erwin Künzli
: Unionsverlag
: 9783293304802
: 1
: CHF 7.80
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: Märchen, Sagen, Legenden
: German
: 192
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Mit den ersten Menschen begann es. Mythen erzählen, wie sie zu ihrem Geschlecht kommen, wie Frauen und Männer sich entdecken. Schwänke berichten von den vielfältigen Methoden, Ehegatten und Eltern auszutricksen. Männer erliegen stolzen Frauen, die sich ihr Glück zu holen wissen. In allen Spielarten von Verführung, Leidenschaft und Eifersucht begegnen sich die Auserwählten: von der großen Sage des Untergangs eines alten Brauches durch die Kraft einer leidenschaftlichen Liebe und die Macht des Geschichtenerzählens bis zur leichtfüßigen Geschichte vom allwissenden Schmied, der mit der falschen Frau schläft.

Leo Frobenius, geboren 1873 in Berlin, war Afrikanist und Pionier der kulturhistorischen Ethnologie - und ein leidenschaftlicher Geschichtensammler. 1932 wurde er zum Honorarprofessor an der Frankfurter Universität und 1934 zum Direktor des dortigen Völkermuseums ernannt. Leo Frobenius betrachtete die afrikanische Kultur als der europäischen gleichrangig, was für einen Gelehrten seiner Zeit ungewöhnlich war. Er starb 1938 in Biganzolo, Italien.

Das Märchen vom Untergang von Kasch (Naphta)


Kordofan

Vier Meleks, Könige, regierten in dem großen Reiche, der eine in Nubien, der zweite in Habesch, der dritte in Kordofan, der vierte in For.

Der reichste von ihnen war der Nap von Naphta in Kordofan, dessen Hauptstadt in der Richtung von Hophrat-en-Nahas lag. Er war der Besitzer von allem Gold und Kupfer. Sein Gold und sein Kupfer wurden nach Nubien gebracht und von den großen Königen aus dem Westen geholt. Von Osten her kamen Gesandte auf Schiffen über das Meer, und im Süden herrschte der König über viele Völker, die für ihn Waffen aus Eisen schmiedeten und Sklaven sandten, die zu tausenden am Hofe des Nap lebten.

Der Nap von Naphta war der reichste Mann auf der Erde. Sein Leben aber war das traurigste und kürzeste unter allen Menschen. Jeder Nap von Naphta durfte nämlich nur eine Reihe von Jahren sein Land regieren. Während seiner Regierung beobachteten jeden Abend die Priester des Landes die Sterne, brachten Opfer dar und entzündeten Feuer. Keinen Abend durften sie mit ihren Gebeten und ihren Opfern aussetzen, sonst verloren sie den Weg eines Sternes aus den Augen und wussten dann nicht, wann nach ihrer Vorschrift der König getötet werden musste. So ging dies eine lange Zeit hindurch. So sahen einen Tag nach dem andern, jahraus jahrein, die Priester nach den Sternen und erkannten den Tag, an dem der König getötet werden musste.

Einmal war wieder der Tag des Todes eines Königs. Den Stieren waren die Hinterschenkel durchschlagen. Alle Feuer im Lande waren erloschen. Die Frauen waren in den Häusern eingeschlossen. Die Priester entzündeten das neue Feuer. Sie riefen den neuen König. Der neue König war der Sohn der Schwester des soeben Getöteten. Der neue König hieß Akaf; dieser war es, unter dessen Regierung die alten Einrichtungen des Landes geändert wurden. Das Volk aber sagt, dass diese Änderung der Grund des späteren Unterganges von Naphta war.

Die erste Handlung, die ein neuer Nap vorzunehmen hatte, war, zu bestimmen, wer ihn auf seinem Todeswege seiner Zeit zu begleiten hatte. Der Nap wählte diese unter den Liebsten seiner Umgebung. Er musste vor allem den ersten bestimmen, der der Führer der andern war. Nun hatte vor einiger Zeit ein König aus dem fernen Osten über das Meer her an den Hof von Naphta einen Mann gesandt, der berühmt war durch die Geschicklichkeit, Geschichten zu erzählen. Dieser Mann hieß Far-li-mas. Far-li-mas war so gerade als Sklave an den Hof des Nap gekommen. Der König Akaf hatte ihn gesehen. Far-li-mas gefiel dem König Akaf. Der König Akaf sagte: »Dieser soll mein erster Begleiter sein. Er wird mich in der Zeit bis zu meinem Ende durch seine Geschichten unterhalten. Er wird mich auch nach dem Tode froh machen.«

Als Far-li-mas hörte, was der König beschlossen hatte, erschrak er nicht. Er sagte bei sich nur: »Gott will es.«

In Naphta war damals der Brauch, dass ein ständiges Feuer unterhalten wurde, so wie heute noch in entlegenen Orten von For. Die Priester bestimmten zur Unterhaltung dieses Feuers st