2. KAPITEL
Die beiden Frauen, die im Schlafzimmer warteten, waren beide um die zwanzig. Da endete aber auch schon die Gemeinsamkeit.
Das Mädchen, das auf der Bettkante des Himmelbetts saß, die schlanken Fesseln übereinandergeschlagen, war eine große elegante Blonde mit blauen Augen. Die andere, die seit fünf Minuten nervös im Zimmer auf und ab lief, begleitet von dem wütenden Hämmern ihrer hohen Absätze, war weder groß noch blond. Und obwohl beide Frauen die gleichen Kleider trugen, wirkte sie irgendwie nicht elegant.
Ohne die High Heels war sie nur knapp 1,60m groß. Ihr kastanienbraunes Haar hatte sie wie immer zu einem schweren Knoten im Nacken zusammengefasst. Und auch wenn die Frisur den langen Hals und die feine Linie ihres Kinns vorteilhaft betonte, war dies nicht der Grund, weshalb sie sich gerade für dieses Styling entschieden hatte. Es war einfach so, dass die Haare sich bei dem kleinsten bisschen feuchte Luft in eine Unmasse von Kringellöckchen verwandelten, die nicht zu bändigen waren. Und Eve hatte gerne alles unter Kontrolle, was jeden Aspekt ihres Lebens betraf.
Es hatte eine Zeit gegeben, da versuchte sie die lässige Eleganz ihrer Freundin Hannah nachzuahmen. Aber es wollte einfach nicht klappen. Immer sah sie aus, als steckte sie in den Kleidern ihrer Mutter.
Nach und nach hatte Eve ihren eigenen Stil gefunden oder – wie Hannah es nannte – ihre Uniform, was ein wenig unfair war. Wer hat schon Zeit zum Shoppen, wenn er ein Unternehmen leiten muss?
„Autsch!“ Sie stolperte über den Saum des himmelblauen Brautjungfernkleids und stieß sich das Knie an der Fensterbank.
„Wärst du zur Anprobe gekommen, wäre das Kleid jetzt nicht zu lang“, meinte Hannah. Es saß zwar in der Taille, aber der Ausschnitt verrutschte immer, wenn Eve sich zu schnell bewegte.
Eve schnaufte genervt. Wenn die Natur es oben herum gut mit ihr gemeint hätte, wäre alles kein Problem gewesen. Aber selbst mit den Tüchern, die sie sich in den trägerlosen BH gestopft hatte, hätte es eine Körbchengröße mehr gebraucht, damit das Oberteil des Kleids nicht ins Rutschen kam. Außerdem scheuerte der BH an der kaum verheilten Wunde.
Immerhin, während sie mit dem Kleid kämpfte, dachte sie wenigstens nicht die ganze Zeit daran, dass ihre Mutter sich an einen Mann wegwarf, der sie nicht verdiente. Denn seitdem ihre Mutter aufgeregt wie ein Schulmädchen die frohe Botschaft verkündet hatte, konnte sie an nichts anderes mehr denken. Eve hatte darum gebetet, ihre Mutter möge zur Vernunft kommen.
Sie war es nicht.
„Die Maße, die du geschickt hast, sind anscheinend nicht mehr aktuell“, meinte Hannah. „Na ja, nur wegen einer Anprobe aus Australien herüberzukommen wäre auch ein wenig aufwendig gewesen.“
„Ich bin nicht wegen meiner Mutter so weit fortgezogen!“
„Das habe ich auch nie angenommen.“
„Wozu soll diese plötzliche Eile gut sein?“ Die Art, wie Hannah sie ansah, ließ Eve stutzen. „Weißt du das?“
Hannah legte schützend die Hand auf ihren Bauch. Es war schon komisch, dass die kluge Eve, die sonst vieles intuitiv erahnte, nicht den kleinsten Verdacht hatte. Die schnelle Auffassungsgabe ihrer Freundin hatte sie oft ein wenig eingeschüchtert. Trotzdem gab es Zeiten, da merkte sie nicht, was direk