: August Strindberg
: Fräulein Julie
: Nexx
: 9783958705081
: 1
: CHF 0.90
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: Hauptwerk vor 1945
: German
Das Kammerspiel 'Fräulein Julie', das 1888 entstand, handelt vom Verhältnis der jungen hochadeligen Julie und ihrem Diener Jean während einer Mittsommernacht und am darauffolgenden Morgen. Es spielt in der Küche des Herrensitzes von Julies Vater in einer kleinen Stadt in Schweden und behandelt Klassenunterschiede, den Geschlechterkampf sowie Liebe und Lust.

Johan August Strindberg (1849-1912) war ein schwedischer Schriftsteller und Künstler. Er gilt als einer der wichtigsten schwedischen Autoren, besonders seine Dramatik ist weltbekannt. Von den 1870er Jahren bis zu seinem Tod dominierte er das literarische Schweden, sein umfangreiches literarisches Werk zählt zu den Klassikern schwedischer Literatur.

Vorwort

 

Das Theater ist mir schon lange, gleichwie die Kunst überhaupt, wie eine »Biblia pauperum« erschienen, eine Bibel in Bildern für diejenigen, welche nicht Gedrucktes oder Geschriebenes lesen können, und der Theaterschriftsteller wie ein Laienpriester, welcher die Gedanken der Zeit in populärer Form kolportiert, so populär, dass die Mittelklasse, welche hauptsächlich das Theater füllt, ohne viel Kopfzerbrechen fassen kann, worum es sich handelt. Das Theater ist daher immer eine Volksschule für die Jugend, die Halbgebildeten und die Frauen gewesen, welche noch das Vermögen zurückbehalten haben, sich selbst zu täuschen und sich täuschen lassen, das heißt die Illusion zu bekommen, vom Verfasser die Suggestion zu empfangen. Es ist mir daher in unserer Zeit, da das rudimentäre, unvollständige Denken, welches sich durch die Phantasie vollzieht, sich zur Reflexion, zur Untersuchung und Prüfung zu entwickeln scheint, so vorgekommen, als wenn das Theater, gleichwie die Religion, auf dem Weg wäre, sich gleich einer aussterbenden Form hinzubetten, zu deren Genuss uns die erforderlichen Voraussetzungen fehlen. Für diese Annahme spricht die durchgehende Theaterkrise, welche jetzt in ganz Europa herrscht, und nicht zum wenigsten der Umstand, dass in den Kulturländern, welche die größten Denker der Gegenwart hervorbringen, nämlich England und Deutschland, die Dramatik tot ist, gleichwie größtenteils die andern schönen Künste.

 

In andern Ländern wieder hat man geglaubt sich ein neues Drama schaffen zu können, indem man die alten Formen mit dem Gehalt der neueren Zeit erfüllte; aber teils haben die neuen Gedanken noch nicht Zeit gehabt, populär zu werden, sodass das Publikum den Verstand besäße zu erfassen, worum es sich handelt, teils haben Parteistreitigkeiten die Gemüter erregt, sodass ein rein objektiver Genuss nicht hat eintreten können, da man sich hier in seinem Innersten widersprochen sah und dort eine applaudierende oder zischende Majorität ihren Druck so öffentlich ausübte, als es in einem Theatersaal möglich ist, teils hat man nicht die neue Form für den neuen Gehalt gefunden, sodass der neue Wein die alten Flaschen gesprengt hat.

 

In dem vorliegenden Drama habe ich nicht versucht etwas Neues zu bringen – denn das kann man nicht – sondern nur die Form gemäß den Forderungen zu modernisieren, welche, nach meiner Meinung, die neuen Menschen unserer Zeit an diese Kunst stellen sollten. Und zu diesem Zwecke habe ich gewählt oder mich ergreifen lassen von einem Motiv, von welchem man sagen kann, es liegt außerhalb der Parteikämpfe des Tages, da ja das Problem vom sozialen Steigen oder Fallen, von Höherem und Niedrigerem, Besserem oder Schlechterem, Mann oder Weib, von bleibendem Interesse ist, gewesen ist und sein wird. Als ich dieses Motiv aus dem Leben nahm, so, wie ich es vor einer Reihe von Jahren erzählen hörte, als das Ereignis einen starken Eindruck auf mich machte, fand ich, dass es sich für ein Trauerspiel eigne, denn noch macht es einen trau