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Es war, als säße ihr ein Tiger im Genick.
Etwas Großes und Gefährliches und Mitleidloses, das in ihrem Helikopter hockte und ihr seinen heißen Atem direkt in den Nacken blies. Etwas, das sie mühelos zerquetschen könnte, während es mit seinen großen goldenen Augen weiter reglos durch die Windschutzscheibe in den Himmel sah.
Nur, dass ihr Passagier nicht goldene, sondern blaue Augen hatte. Leuchtend blau.
Weshalb vielleicht ein Tiger nicht die richtige Metapher war. Vielleicht –
»In etwa fünf Minuten kommt der nächste Chopper, Sara. Kriegst du deine Kiste vielleicht langsam in die Luft?«, unterbrach die kühle Stimme aus dem Tower ihren Gedankengang.
Reiß dich zusammen, Sara Charles. Du führst dich auf wie eine Närrin. Sie schüttelte den Kopf. In dem kein Raum für derart dämliche Gedanken war, während sie flog.
»Ich bin so weit«, gab sie zurück und drehte sich nach ihrem Fluggast um. »Wir können starten, Sir.« Sie nannte alle ihre Passagiere »Ma’am« oder »Sir«, solange sie nichts anderes von ihr erbaten – was die meisten Leute, oder wenigstens die Stammkunden, normalerweise taten. Nicht jedoch der Mann, der heute mit ihr flog. Er schien das »Sir« zu akzeptieren, als wäre das die pflichtgemäße Anrede für ihn. Was sie ein wenig seltsam fand, denn wenn sie sich nicht irrte, war der Mann kein Exsoldat und gehörte offenbar auch nicht dem britischen Königshaus an. Weil er seinem Akzent nach ganz eindeutig in den Staaten aufgewachsen war. Obwohl er während der drei Flüge, die er bisher mit ihr unternommen hatte, kaum ein Wort mit ihr gewechselt hatte.
Außer »Guten Morgen«, »Vielen Dank« oder »Auf Wiedersehen«.
Wobei er immer mit beherrschter, dunkler, kühler Stimme sprach. Sein fortgesetztes Schweigen hätte Sara stören sollen, doch aus irgendeinem Grund fand sie es faszinierend.
»Gleich sind wir in der Luft«, erklärte sie, denn vielleicht würde dieser Satz ihn ja ein wenig aus dem Gleichgewicht bringen und er würde plötzlich »super« oder so sagen.
Doch er hob nicht einmal den Kopf. Was er sowieso nur selten tat. Er nickte einfach knapp und starrte weiter auf den Bildschirm seines schlanken silberfarbenen Laptops. Zielgerichtet. Konzentriert.
Er konnte sich eindeutig besser konzentrieren als die meisten anderen Menschen. Selbst mit Kopfhörern war es in ihrem Hubschrauber sehr laut, aber das lenkte ihn nicht im Geringsten ab. Sie musste zugeben, dass ihr schon mehrmals der Gedanke durch den Kopf gegangen war, wie es wohl wäre, würde er sich so auf sie statt auf den Laptop konzentrieren. So, als gäbe es nichts anderes mehr für ihn.
Aber das war so wahrscheinlich wie, dass ihr urplötzlich Flügel wachsen würden und sie ohne Helikopter fliegen könnte, deshalb kämpfte sie entschlossen gegen diese Überlegung an.
Obwohl sie gerne wüsste, wo der Mann gelernt