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7. August
Nowak starrte auf den Bildschirm. Ameisen, nichts als Straßen verschwommener Ameisen. Es ärgerte ihn, dass er es wieder nicht geschafft hatte, eine neue Lesebrille zu besorgen. Er rückte an seiner alten, schob den Laptop eine Handbreit von sich weg und kniff die Augen zusammen. Endlich verwandelte sich die Insektenschar in scharfe Buchstaben. Während er Mannis Bericht über den Unfall in der Höhenstraße überflog, rieb sein Zeigefinger über den Rand des Kaffeebechers, als könnte er ihn zum Klingen bringen.
Drei Tote, eine Schwerverletzte; so schwer verletzt, dass die Opferbilanz vermutlich bald auf vier erhöht werden musste. Die Kriminaltechniker hatten keinerlei Mängel oder Manipulationen am Fahrzeug feststellen können. Der Autolenker, ein gewisser Fritz Hirmer, Besitzer einer alteingesessenen Antiquitätenhandlung in der Hernalser Hauptstraße, wohnhaft im Eigenheimweg der Siedlung Hügelwiese in Neuwaldegg, keine dreihundert Meter vom Unfallort entfernt, war zum Zeitpunkt des Crashs weder alkoholisiert gewesen noch unter dem Einfluss von Drogen gestanden. Der gerichtsmedizinische Schlussbericht bescheinigte ihm vollkommene Gesundheit – bis er mit 64 km/h ungebremst gegen einen Betonpoller und schließlich in eine Gruppe von Bäumen gekracht war und in Folge mehrfache Rippenbrüche mit Lungenanspießung und einen Aortenriss davongetragen hatte. Zum Glück verblutete er, bevor der Wagen in Flammen aufging.
Bei seiner Frau Lisa ging es noch schneller. Aufgrund einer falsch eingestellten Kopfstütze erlitt sie einen Genickbruch. Schnipp und aus, Ende, keine Schmerzen, kein Kampf, vermutlich nicht einmal Todesangst.
Die beiden Kinder hatten es weniger gut getroffen: Die achtjährige Emilia war nicht angeschnallt gewesen. Bereits bei der Kollision des Wagens mit dem Betonpoller flog sie durch die Windschutzscheibe, wurde über die Böschung geschleudert und landete in einem Dickicht aus Brombeerbüschen und Haselnussstauden. Dadurch entging sie zwar dem Feuer, erlitt aber eine Schädelfraktur – neben unzähligen Schnitt-, Schürf- und Rissquetschwunden, mehreren Wirbelbrüchen, einem Trümmerbruch des linken Oberschenkels und zahlreichen kleineren Knochenbrüchen. Noch kämpfte sie in der Intensivstation einen wenig aussichtsreichen Kampf um ihr Leben, wenigstens bekam sie vom Ausmaß der Tragödie nichts mit, weil die Ärzte sie in künstlichen Tiefschlaf versetzt hatten.
Der Einzige, der den Aufprall mit heilen Knochen überstanden hatte, war Emilias kleiner Bruder. Jonas war noch am Leben gewesen, als seine Kleidung Feuer gefangen hatte, das folgerten die Gerichtsmediziner aus den Rußablagerungen in den Atemwegen und aus der im Blut befindlichen Menge an Kohlenmonoxid-Hämoglobin. Ob der Sechsjährige bei Bewusstsein gewesen war, konnte die Obduktion nicht klären.
Zum Glück nicht, dachte Nowak. Bestimmte Details nicht zu kennen, war manchmal eine Gnade. Das Wissen, dass es sich beim Verbrennen um die schmerzhafteste aller Todesarten handelte und dass Niki, der jüngste Sohn von Nowaks Schwester und sein Patenkind, nur um ein halbes Jahr älter war als Jonas, reichte ihm vollkommen.
Er scrollte weiter zum letzten Absatz, zur Beurteilung des Unfallgeschehens durch Revierinspektor Manfred Pribil. Die gestelzten Formulierungen entlockten ihm ein Grinsen. An seinem Stil musste der gute Manni noch feilen, aber in der Sache hatte er zweifellos recht: Nach Pribils Einschätzung handelte es sich nicht um einen Unfall, sondern um erweiterten Suizid durch den Lenker Fritz Hirmer, der in der Höhenstraße und in unmittelbarer Nähe seines Wohnsitzes mit 64 km/h – und damit immerhin um 34 km/h zu schnell – das Lenkrad verrissen hatte, als hätte er sich extra die Stelle mit den vielversprechendsten Hindernissen ausgesucht. Pribil untermauerte seine These mit den hohen Schulden Hirmers und der Flaute, in der der Antiquitätenhandel im Allgemeinen und Hirmers Geschäft im Besonderen steckte. Gemäß einer Aussage von Hirmers Schwiegervater hatte es zuletzt auch in der Ehe heftig gekriselt.
Klarer Fall, dachte Nowak, auch wenn ein Abschiedsbrief fehlt und wir es nicht beweisen können. Er überlegte, der wi