2. KAPITEL
Charley zwang sich zu einem Lächeln, als sie dem Bankdirektor zum Abschied die Hand schüttelte und sein Büro verließ. Dabei war ihr so eng ums Herz, dass sie meinte, keine Luft mehr zu bekommen. Schnell trat sie in die Empfangshalle des riesigen Glasgebäudes, ging im Eilschritt zur Damentoilette und schloss die Tür der ersten Kabine hinter sich.
Es war aus.
Der Direktor hatte ihr unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass sie ohne die Bürgschaft von Raul kein Darlehen bekommen würde.
Ihre letzte Hoffnung hatte sich zerschlagen. Sie riss eine Hand vor den Mund, um den tiefen Seufzer zurückzuhalten.
Obwohl sie wirklich alles gegeben hatte, würde Poco Rio keine neue Bleibe finden und wohl für immer schließen müssen.
Die armen Kinder. Die Hiobsbotschaft würde sie und ihre Eltern noch viel härter treffen. Dabei hatten sie in ihrem kurzen Leben wahrlich schon genug gelitten.
Jetzt wusste sie wirklich nicht mehr weiter. Sie hatte alles versucht und sich in ihrer Verzweiflung sogar an Raul gewendet.
Sie hätte beinahe laut aufgeschluchzt, als sie daran dachte, wie er ihr die Bitte ins Gesicht zurückgeschleudert hatte. Nie hätte sie ihn für so herzlos gehalten. Und nie hätte sie geglaubt, dass ihn das Scheitern ihrer Ehe noch immer so wütend machte.
Sie erinnerte sich noch gut an den vernünftigen Tonfall, den er immer angeschlagen hatte, wenn sie über ihre beruflichen Misserfolge geredet hatten. „Cariño“, hatte er dann zu ihr gesagt. „Begreif doch endlich, du bist nun mal keine Businessfrau. Du hast es versucht, aber jetzt sollten wir endlich die Familie gründen, von der wir einmal geredet haben.“
Noch deutlicher aber erinnerte sie sich daran, wie ihr das Blut bei diesen Worten in den Adern gefroren war.
Hatte er wirklich von ihr erwartet, ein Kind zu bekommen, obwohl ihre Ehe doch so ungleich war?
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie sich immer darauf gefreut, eines Tages Kinder zu haben. Aber zuerst wollte sie sich etwas Eigenes aufbauen und ihre Nische im Leben finden.
Ihre eigene Mutter hatte schwer schuften müssen, damit Charley ein Dach über dem Kopf und jeden Tag etwas zu essen gehabt hatte. Aber als Teenager hatte Charley ihrer Mutter nie die Dankbarkeit gezeigt, die sie verdient gehabt hätte. Heute schämte sie sich für ihr Verhalten und wollte auf gar keinen Fall, dass sich so etwas wiederholte. Ihre Kinder sollten eines Tages zu ihr aufblicken können. Niemals sollten sie ihre Eltern miteinander vergleichen und einen Vater sehen, der in allem erfolgreich war, und eine Mutter, die im Leben gescheitert war. Sie wollte, dass ihr Mann und ihre Kinder stolz auf sie sein konnten, weil sie es ganz allein geschafft hatte.
Eigentlich hatte sie gar nicht vorgehabt, ihn zu verlassen. Aber als sie ihm an jenem Abend erklären wollte, warum jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für ein Baby sei, hatte sich daraus ein furchtbarer Streit entwickelt, und am Ende hatten sie sich schlimme Dinge an den Kopf geworfen.
Raul hatte sie eineVersagerin genannt und ihr unterstellt, nur hinter seinem Geld her zu sein. Die Worte klangen noch heute in ihren Ohren nach und sorgten dafür, dass sich ihr Magen zusammenkrampfte. Seine Vorwürfe hatten ihr furchtbar wehgetan. Sie hatte sich alle Mühe gegeben, ihre Geschäftsideen erfolgreich umzusetzen, weil sie ihn mit etwas anderem als ihrem Körper beeindrucken wollte. Heute wusste sie, dass sie sich mit ihren Ideen übernommen hatte. In ihrer Verzweiflung, sich beweisen zu wollen, hatte sie sich maßlos überschätzt.
Und dann hatte er ihr ins Gesicht gesagt, sie solle verschwinden.
In ihrem Kopf war