: Christoph Keller
: Häusliche Gewalt, Stalking und Gewaltschutzgesetz Leitfaden für polizeiliches Handeln
: Richard Boorberg Verlag GmbH& Co KG
: 9783415056503
: 2
: CHF 19.70
:
: Strafrecht, Strafprozessrecht, Kriminologie
: German
: 182
: Wasserzeichen/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF/ePUB
Tatort Wohnung Häusliche Gewalt kommt in allen Gesellschaftsschichten und Altersgruppen vor. Gewalt findet fast ausschließlich in der Wohnung statt. Das Risiko einer Wahrnehmung durch Dritte ist hier reduziert. Die Gewaltanwendung außerhalb des familiären Nahbereichs unterliegt einer wesentlich höheren Hemmschwelle und birgt zudem jederzeit die Möglichkeit, dass Unbeteiligte eingreifen. Polizeieinsatz bei Familienstreit Familienstreitigkeiten sind häufiger Einsatzanlass für die Polizei. Gleichwohl handelt es sich nicht um Routineeinsätze. Die weitere Entwicklung der Situation kann jederzeit zwischen 'Vertragen' und 'Tötung eines Menschen' liegen. Oft kommt es nach einem 'Ereignis häuslicher Gewalt' zu Stalking-Handlungen. Aus diesem Grunde wurde die Neuauflage um das Kapitel 'Stalking' erweitert. Häusliche Gewalt Im Kapitel 'Häusliche Gewalt' geht der Autor zunächst auf die verschiedenen Opfertypen ein. Anschließend erklärt er, wie Gewaltdelikte nach vorausgegangener Bedrohung verhindert werden können. Anschaulich zeigt er die verschiedenen Möglichkeiten polizeilichen Handelns bei häuslicher Gewalt auf, wie z.B. • Einsatzverhalten • Strafverfolgung • Gefahrenabwehrende Maßnahmen (Übersicht) • Verschiedene Arten der Wohnungsverweisung Dabei behandelt er auch die unterschiedlichen landesrechtlichen Regelungen. Stalking Im Kapitel 'Stalking' erläutert der Verfasser die unterschiedlichen Handlungen, einschließlich Mobbing und Gewalt. Die Handlungsalternativen - von der Anzeigenerstattung über die Gefährderansprache bis zur Fangschaltung - sind ausführlich dargestellt. Checklisten helfen beim Umgang mit Opfern sowie bei der Anzeigenaufnahme. Der Leitfaden zeigt Handlungsstrategien für Betroffene auf. Der Verfasser geht auf die Strafbarkeit von Stalking, das Strafprozessrecht sowie das Zivilrecht ein.

Kapitel II
Stalking


1. Kriminologie-Phänomenologie des „Stalking“


Nicht wenige Menschen werden von anderen Menschen belästigt oder gar verfolgt. In diesem Kontext fällt sodann der Begriff „Stalking“. Es gilt als sozialwissenschaftlich abgesichert, dass rd. 10 % der Bevölkerung einmal im Leben von Stalking betroffen sind, wobei die Opfer zu etwa 90 % weiblichen Geschlechts sind. In einem Drittel aller Fälle droht der Täter gar explizit Gewalt an; auch kommt es bisweilen zu Tötungsdelikten.1 Die international Kreise ziehenden Stalking-Diskussionen haben letztendlich nicht nur Deutschland erreicht.2

Am 30.11.2006 wurde vom Bundestag der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 08.02.20063 mit einigen vom Rechtsausschuss beschlossenen Modifikationen4 angenommen und mit § 238 StGB ein Straftatbestand für vom Gesetzgeber als typische Stalking-Verhaltensweisen angesehene „beharrliche Nachstellungen“ verabschiedet.5 Der neue Straftatbestand dient dem Schutz der eigenen Lebensführung vor gezielten hartnäckigen und schwerwiegenden Belästigungen, vor unzumutbaren Beeinträchtigungen der Lebensgestaltung6, insofern soll die Strafvorschrift auch dem Opferschutz dienen.7 Ergänzt wurde auch die Strafprozessordnung. Dort wird v. a. der Haftgrund der Wiederholungsgefahr des § 112a StPO insoweit ergänzt, als in schwerwiegenden Fällen auch gegen gefährliche Stalking-Täter die Untersuchungshaft angeordnet werden kann, wenn schwere Straftaten gegen Leib und Leben zu befürchten sind.

1.1 Begriff8


Der englische Begriff Stalking basiert auf dem englischen Verb „stalk“, stammt aus der Jägersprache und bedeutet so viel wie „anpirschen“ oder „anschleichen“.9 Der Stalker ist in direkter Übersetzung ein Pirschgänger. Der Ausdruck des Stalking hat sich im angloamerikanischen Raum eingebürgert für Verhaltensweisen, bei denen Personen von anderen Personen verfolgt, belästigt und drangsaliert werden.10 In der amerikanischen Sprache bezeichnet „stalking“ nach neuerer Bedeutung zusammengefasst das zwanghafte Verfolgen und Belästigen einer anderen Person.

In der deutschen Sprache gibt es keinen entsprechenden Begriff für dieses Verhalten. Inzwischen wird der Begriff aber auch in Deutschland als Umschreibung für eine fortgesetzte Verfolgung, Belästigung oder Bedrohung einer anderen Person gegen deren Willen verwendet. Durch die durch § 238 StGB eingeführte Bezeichnung „Nachstellung“ ist der Begriff „Stalking“ zwar nicht genau übersetzt, gleichwohl scheint die Prämisse „Nachstellung“ der Wortbedeutung „Stalking“ recht nahe zu kommen.

In der Psychiatrie wird Stalking als Verhaltensmuster beschrieben, bei dem der Täter das Opfer „wiederholt mit unerwünschten Kontaktaufnahmen belästigt“. Das Wort „Kontaktaufnahme“ kann zwar verharmlosend unterstellen, dass eine gegenseitige Kommunikation stattfindet. Stalking meint hier indes die einseitige Kommunikation in Richtung Opfer, die in rascher Folge und penetrant durch eine Vielzahl von Einzelakten erfolgt.11

Stalking war mehrfach Gegenstand von diversen Hollywood-Produktionen. Bekannt wurden v. a. „Eine verhängnisvolle Affäre“ (Michael Douglas) von 1987 und „Der Fan“ (Robert di Niro) von 1997.

Gordon Matthew Summer – besser bekannt alsSting – hatte 1983 mit einführend zitierten Liedzeilen Stalkingverhalten bereits recht zutreffend umschrieben:

„Every breath you take, every move you make, every bond you break,
every step you take, I`ll be watching you …“12

Auch wennSting Stalking-Verhalten passend beschrieben hat, so existiert gleichwohl eine allgemeingültige Definition des Stalking nicht. Trotzdem ist der Begriff des Stalking weit verbreite