: Sophokles
: Mario Leis, Nancy Hönsch
: Antigone. Textausgabe mit Kommentar und Materialien [Reclam XL - Text und Kontext] - Sophokles - 16106
: Reclam Verlag
: 9783159608853
: Reclam XL ? Text und Kontext
: 2
: CHF 4.40
:
: Deutsch
: German
: 109
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Antigone bestattet ihren gefallenen Bruder, einen Landesverräter, und widersetzt sich damit dem Verbot des Königs. In Sophokles' Tragödie geraten Gesetz und Gewissen in einen tödlichen Konflikt. Klassenlektüre und Textarbeit einfach gemacht: Die Reihe »Reclam XL - Text und Kontext« erfüllt alle Anforderungen an Schullektüre und Bedürfnisse des Deutschunterrichts: * Reclam XL bietet den sorgfältig edierten Werktext - seiten- und zeilengleich mit der entsprechenden Ausgabe aus Reclams Universal-Bibliothek. * Das Format ist größer (12,2 x 20 cm) als die gelben Klassiker der Universal-Bibliothek, mit ausreichend Platz für Notizen am Seitenrand. * Schwierige Wörter werden am Fuß jeder Seite erklärt, ausführlichere Wort- und Sacherläuterungen stehen im Anhang. * Ein Materialienteil mit Text- und Bilddokumenten erleichtert die Einordnung und Deutung des Werkes im Unterricht. * Natürlich passen auch weiterhin alle Lektüreschlüssel, Erläuterungsbände und Interpretationen dazu! E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

Sophokles (496/496 v. Chr. in Kolonos - 406 v. Chr. in Athen) gehört neben Aischylos und Euripides zu den bedeutendsten Tragödiendichtern der Antike. Der Sohn eines Fabrikanten schrieb über 120 Stücke - von denen bis heute nur noch sieben vollständig erhalten sind - und ging im Wettstreit der Dramatiker 24 Mal als Sieger hervor. Aristoteles skizziert Sophokles in seiner 'Poetik' als einen Erneuerer des Theaters: Er führte den dritten Schauspieler ein, erweiterte den 12-köpfigen Chor auf 15 und nutzte als Erster gemalte Bühnenkulissen. Sophokles' berühmtes analytisches Drama 'König Ödipus' zeigt den im Dialog vollzogenen Erkenntnisprozess des gleichnamigen thebanischen Königs, der im Wissen über den selbst verübten Vatermord und die Heirat der eigenen Mutter endet. In 'Antigone' stürzt der Konflikt zwischen weltlichem und religiösem Recht die Protagonistin in ein Dilemma, das sie letzten Endes das Leben kostet. Einige heutige Interpreten erkennen in ihrem Widerstand gegen Kreon einen mutigen Akt zivilen Ungehorsams. 2019 Johann-Heinrich-Voß-Preis für Übersetzung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung für seine Übertragungen griechischer und lateinischer Klassiker.

1.Epeisodion (162331)


KREON. Männer! Die Götter haben unsre Stadt, die sie

in schwerem Wogengang erschüttert, sicher wieder aufgerichtet.

Euch aber habe ich, von allen ausgesondert,

165durch Boten herbestellt, weil ich wohl weiß,

wie ihr die Macht vonLaios’ Thron stets hochgeachtet

und ihr, als Ödipus die Stadt erhob

und umkam dann, bei seinen und Iokastes Söhnen

verbliebt mit unverrückbar treuem Sinn.

170Seit jene nun in doppeltem Verhängnis

an einem Tage fielen, schlagend und

geschlagen, mordbefleckt durch eigne Hand,

hab ich denn nun die Allmacht und den Thron,

da an Verwandtschaft ich der Nächste bin den Toten.

175Unmöglich aber ist es, zu ergründen jeden Mannes

Charakter, Denkart und sein Wollen, eh er sich

in Herrschaft und Gesetzen als erprobt erweist.

Denn wer als Lenker einer ganzen Stadt

nicht nach den besten Leitgedanken greift,

180sondern aus Furcht vor jemand seinen Mund verschlossen hält,

der gilt mir als grundschlechter Mensch, so jetzt wie je;

und wer gar höher als das eigne Vaterland

[14]die Freunde stellt – dem spreche ab ich jeden Wert!

Denn ich – das wisse Zeus, der allzeit alles sieht –,

185ich schwiege nicht, säh ich das Unheil

den Bürgern nahen statt des Wohlergehns,

und würde nie den Mann, der feind der Stadt,

als Freund erachten, in der Einsicht, dass

nur sie es ist, die uns beschützt, und dass wir nur,

190wenn sie nicht wankt auf unsrer Fahrt, uns Freunde schaffen.

Nach solchen Grundprinzipien will ich fördern diese Stadt.

Dem nun entspricht, was ich die Söhne Ödipus’

betreffend hab den Städtern jetzt verkündet:

Eteokles, der im Kampf für diese Stadt

195gefallen ist, in jeder Hinsicht Bester mit dem Speer:

Ihn berge man im Grab und weih ihm alle Grabesspenden,

die zu den besten Toten kommen in der Unterwelt!

Doch seinen Bruder, Polyneikes mein ich, der

die Vatererde und die Götter unsres Lands,

200zurückgekehrt aus dem Exil, mit Feuers Brand

bis auf den Grund verbrennen und sich am verwandten Blut

satt trinken wollte und den Rest versklaven:

Ihn – so ist es unsrer Stadt verkündet –

soll keiner mit dem Grabe ehren noch beklagen,

205nein, unbestattet lass man seinen Leib zum Fraß

den Vögeln und den Hunden, schmachvoll anzusehn!

So geht mein Denken, und nie wird von mir

der Schlechte mehr geehrt als der Gerechte.

Wer aber wohlgesinnt ist dieser Stadt, der sei,

210ganz gleich, ob tot, ob lebend, stets von mir geehrt!

CHORFÜHRER. Dir steht es frei, Sohn des Menoikeus, so zu tun

an dem, der’s übel oder wohl meint mit der Stadt,

[15]und jede Satzung anzuwenden liegt in deiner Macht

auf die, die tot sind, wie auf uns, die leben.

215KREON. Seid mir nun Hüter des Verfügten!

CHORFÜHRER. Bürd einem Jüngern auf zu tragen diese Last!

KREON. Nun, Wachen bei dem Toten sind bestellt.

CHORFÜHRER. Was andres könntest du denn uns damit befehlen?

KREON. Dass ihr es keinem durchgehn lasst, der nicht gehorcht!

220CHORFÜHRER. So töricht ist doch keiner, dass er sterben möchte.

KREON. Ja, in der Tat, dies wär der Lohn! Jedoch mit Hoffnungen

hat die Gewinnsucht Männer oft schon ruiniert.

Ein Wächter tritt auf.

WÄCHTER. Herr, sagen will ich nicht, dass ich ganz atemlos

vor Übereile komm und leicht beschwingten Laufs.

225Denn oft macht ich, um nachzudenken, Halt

und drehte unterwegs mich schon zur Rückkehr um;

denn vieles raunte mir die Seele warnend zu:

»Was eilst du, Ärmster, dorthin, wo dir Strafe droht?

229Du bleibst, Elender, wieder stehen? Und erfährt dies Kreon nun

von einem andern, wie bleibt dir dann Schmerz erspart?«

Dergleichen wälzend kam ich trödelnd langsam nur ans Ziel,

und also wird aus einem kurzen Weg ein langer.

Jedoch am Ende siegte dies: hierher zu kommen

zu dir, und meld ich auch rein nichts, ich sag es doch!

235Mich an die Hoffnung klammernd komme ich,

dass nichts mir widerfährt, was nicht mein Schicksal ist.

KREON. Was ist’s, weswegen du so mutlos wirkst?

WÄCHTER. Ich will zuerst dir sagen, was mich selbst betriff