: Martha Grimes
: Gewagtes Spiel Roman
: Goldmann
: 9783641189259
: Die Inspektor-Jury-Romane
: 1
: CHF 8.00
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 100
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Eigentlich geht es in der stillen Marschlandschaft von Lincolnshire am Rande der Nordsee recht beschaulich zu. Doch dann wird Verna Dunn, eine Schauspielerin mit Starallüren, tot am Strand aufgefunden. Und wenig später treibt die Leiche eines erdrosselten Dienstmädchens in einem der zahlreichen Kanäle. Die Spuren beider Fälle führen nach Fengate, dem Landsitz eines reichen Kunstsammlers, und schnell fällt der Verdacht der Ortspolizei auf Lady Kennington, die auf einer Party dort zu Gast war. Verzweifelt wendet sich die mutmaßliche Täterin an ihren alten Freund Inspektor Jury. Doch während dieser seine heimliche Liebe zu verteidigen sucht, wird die Last der Gegenbeweise immer drückender ...

Martha Grimes zählt zu den erfolgreichsten Krimiautorinnen unserer Zeit. Lange Zeit unterrichtete sie kreatives Schreiben an der Johns-Hopkins-University. Durch ihre Serien um Inspektor Richard Jury und die 12-jährige Ermittlerin Emma Graham wurde sie weltbekannt. Die 'Mystery Writers of America' kürten sie 2012 für ihr Lebenswerk zum 'Grand Master', und ihre Inspektor-Jury-Reihe wurde nun auch fürs deutsche Fernsehen entdeckt und erfolgreich verfilmt. Martha Grimes lebt heute in Bethesda, Maryland.

1


Dorcas haßte die Fens.

Ein Niemandsland, wenn man einmal am Pub vorbei war, dessen Fensterscheiben kalt hinter ihr glänzten wie eine Reihe goldener Fingerabdrücke. Ansonsten kam nur Licht von den Autos, die ab und zu über die A17 fuhren. Die endlose Monotonie der Fens war schon bei Tage schlimm, aber bei Nacht wurde es richtig gespenstisch. Immer wieder blickte Dorcas sich um, sah aber nichts als eine ungeheuer weite schwarze Ebene und die winzigen Lichter des Pub.

Es war kurz nach elf Uhr an einem kühlen Februarabend. Mitte Februar, um genau zu sein. Dorcas wanderte über das Wyndham Fen, dessen klitschiger Boden von dem unaufhörlichen Regen noch matschiger war. Sie hätte die Pumps nicht anziehen sollen. Die Absätze waren vier Zentimeter hoch! Doch ihre Beine sahen einfach besser damit aus. Sie war überzeugt, daß es hier Treibsand gab, obwohl die Leute immer behaupteten, die Fens seien Marschland und man müsse nicht befürchten, verschlungen zu werden, selbst wenn der Untergrund morastig und weich sei. Aber man weiß ja nie, dachte sie.

Das Pub lag nun ein ganzes Stück hinter ihr, gewiß achthundert Meter, die Lichter sah man immer noch. Sie wirkten so weit weg wie Sterne, und zwischen ihr und dem Rand des schwarzen, leeren Horizonts lag das Nichts. Dorcas haßte das Wyndham Fen vor allem wegen der Touristen, die ins Pub kamen und dumme Fragen stellten. Manchmal machte sie sich einen Spaß daraus, ihnen dumme Antworten zu geben und zu beobachten, wie sich auf ihren Gesichtern Verwirrung ausbreitete. Lächerlich, wie die Leute geradezu begierig Geld ausgaben, um ein Fen zu erleben, wie es vor Hunderten von Jahren ausgesehen hatte. Herr im Himmel, war der Anblick nicht jetzt schon gräßlich genug? Mußte man auch noch dem nachtrauern, was früher war? Ihre Mutter, die hockte ja auch ständig über alten Fotos von Skegness und solchen Käffern, wo sie immer Urlaub machten.

Die dunkle Silhouette des Besucherzentrums trieb auf dem unsteten Boden wie ein Schiff. Die Fens verliehen allem ringsum etwas seltsam Lebendiges – die Dinge wirkten größer, die Bäume wuchsen höher, auch der spitze Turm einer Kirche bohrte sich höher hinauf, und die Baumstümpfe schwollen an. Wenn es hell wurde, gewannen die Dinge ihre natürliche Gestalt zurück, aber selbst im Tageslicht konnte die überwältigende Fläche der Fens das, was in der Ferne auftauchte, noch ferner erscheinen lassen und gleichzeitig das Nahe noch näher. Als könne man sich zu keiner Zeit, weder tags noch nachts, auf das verlassen, was man mit eigenen Augen sah.

Ihre Schuhe versanken in dem schwammigen Boden. Unter dem Gras war Torf. Aus irgendeinem Grund hatte sie immer das Gefühl, daß der Boden nicht trug. Als treibe sie auf einem schwankenden Floß durch den Nebel.

Das Besucherzentrum war das einzige Gebäude hier, also auch die einzige Zufluchtsmöglichkeit. Trotzdem, was für ein komischer Treffpunkt, dachte sie. Sie hätten sich doch genausogut irgendwo anders treffen können, wo es warm und hell war. Hier kam nur Licht von ihrer Taschenlampe, deren schmaler Strahl den Boden traf. Aber sie machte sie bald aus. Als sie nach rechts schaute, wo der hölzerne Promenadenste