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Der Name Roger Healey sagte Jury nichts, als er ihn später am Abend zum ersten Mal hörte. Der Beamte der Polizei von West Yorkshire, der Healeys Frau im Gasthaus »Zum großen Schweigen« festgenommen hatte, erzählte ihm am nächsten Tag, dass der Mann etwas mit Kunst oder Musik zu tun hätte, was genau, wusste er nicht, nur, dass er prominent war. Der aus Keighley gerufene Detective Sergeant verbürgte sich jedenfalls dafür, dass dieFamilie in der Gegend sehr angesehen war, und es war ihm anzumerken, welch inneren Zwiespalt die Festnahme eines ihrer Mitglieder bei ihm auslöste.
Inneren Zwiespalt oder dergleichen kannte Superintendent Sanderson nicht; ihn scherte es weder, dass Jury der einzige Zeuge für den Mord an Roger Healey war noch dass in seiner Person die Londoner Kripo in seinem Revier wilderte. Sanderson war ein hoch gewachsener Polizist, dünn wie ein Laternenpfahl, dessen gut einstudiertes, undurchsichtiges Gebaren jeden aufs Glatteis hätte führen können. Falls Jury, was unwahrscheinlich war, je als Zeuge aufgerufen würde, hätte seine Aussage weitaus mehr Gewicht als die irgendeines kurzsichtigen Einheimischen. Was die derzeitige Untersuchung betraf, konnte sich Jury, was Sanderson anging, rasch aus dem Revier der Yorkshire-Polizei verziehen.
Sanderson hatte es aber auch leicht. Er musste nicht einmal Verdächtige auftreiben, keine Stammgäste aus dem öffentlichen Ausschank des »Großen Schweigens« befragen, die doch nur widersprüchliche Berichte geliefert hätten, wer was wem wann getan hatte; und die fünf Leutchen, die aus dem Ausschank in die Lounge gestürzt waren, hatten sehr erleichtert gewirkt, als sie hörten, dass sie aus dem Schneider waren. Denen hatte es vor Schreck die Sprache verschlagen, bis die Polizei eintraf. Jury hatte sie angerufen.
Und es war auch Jury gewesen, dem die Frau, schweigend, die 22er Automatik gegeben hatte. Widerstandslos. Sie sagte kein einziges Wort, sondern setzte sich wieder in den Sessel, beantwortete keine seiner Fragen und sah auch nicht mehr zu ihm auf.
Die gerichtliche Untersuchung der Todesursache wurde für den folgenden Tag angesetzt und diente lediglich der Feststellung gewisser Fakten wie beispielsweise der Identität des Toten. Die Identität der Täterin stand ohnehin fest.
Sie hieß Nell Healey, war eine geborene Citrine, und Jury hatte sich über die Beziehung, in der sie zu dem Toten stand, nicht getäuscht: Sie war seine Frau.
Mit Rücksicht auf den Ruf, den Reichtum und den Einfluss der Familie Citrine in West Yorkshire und weil sie keinerlei Vorstrafen hatte, wurde sie gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt. Damit, das wusste Jury, erkaufte sie sich wenigstens ein Jahr Freiheit; vorher würde der Fall kaum vors