1
Larry witterte den Tod. Kein Blut, dafür den unverkennbaren Verwesungsgestank eines menschlichen Körpers. Das Aroma vermischte sich in der Luft mit dem unzähliger anderer Gerüche, die es zu filtern und auszusortieren galt. Eingrenzung des Dufts auf unverfälschte organische Fäulnis.
Für Leichen hatte Larry einen Riecher. Denn er war kein gewöhnlicher Hund. Er war ein Spürhund. Präzise gesagt: ein Leichenspürhund. Seine Nase war darauf gedrillt, tote Menschen zu erschnüffeln.
Wie alle Hunde hatte auch Larry keinen Zugang zu dem Begriff »Tod«. Er wusste nicht, was es bedeutete, gestorben zu sein. Für ihn war eine Leiche nur ein Bündel Fleisch, das einen markanten Duft verströmte.
Und jetzt empfing sein hochempfindliches Riechorgan verweste menschliche Überreste von irgendwo vor ihm, aus den düsteren Schatten des Waldes.
Den schwarzen Cockerspaniel und seinen Besitzer Matthew Stevens verbanden zehn Jahre Dienst bei der Polizei-Hundestaffel in Providence, Rhode Island. Mit Erreichen von Stevens Pensionsalter schied auch Larry bei der Staffel aus. Seitdem verbrachten der Ex-Polizeihund und der Ex-Hundeführer ihren Lebensabend gemeinsam. Nachmittags unternahmen beide häufig Spaziergänge durch den Lincoln Woods Nationalpark. Einem idyllischen Waldgebiet, in dem sie ihre Runden auf immer denselben Pfaden zu drehen pflegten. Heute allerdings hatten Holzfällerarbeiten sie zu einer Änderung der gewohnten Route gezwungen.
»Zeit, nach Hause zu gehen«, entschied Stevens und drehte sich um. Aber Larry war damit ganz und gar nicht einverstanden. Der Fäulnisgeruch zog ihn geradezu magnetisch an.
Larry schlug an, wie es Leichenspürhunde bei einer positiven Witterung von etwas Totem zu tun pflegen. Dann wartete er auf die Reaktion, dass er sein Herrchen beeindruckt hatte. So wie es früher bei der Polizeistaffel immer der Fall gewesen war.
Doch der Ex-Hundeführer ignorierte das Gekläff und marschierte davon. Er ging den Weg zurück, den sie gekommen waren.
Larry rührte sich nicht vom Fleck.
Stevens blieb stehen und drehte sich zu ihm um. »Brauchst du eine Extra-Einladung? Abmarsch!«
Der Hund rührte sich immer noch nicht.
»Verdammt, sitzt du auf deinen Schlappohren?« Der Ex-Hundeführer ging zu dem Cocker zurück und gab ihm einen Klaps auf den Hintern. »Komm endlich in die Gänge.«
Larry zögerte. Totes Fleisch aufzuspüren, war ihm antrainiert worden. Und der Trieb war stärker als die Pflicht, seinem Herrchen zu gehorchen.
Larrys motorische Fähigkeiten waren mit dem Alter überschaubar geworden. Sein ehemals federnder Gang hatte sich zu einem müden Humpeln entwickelt. Umso überraschter war Stevens, als der Hund aus dem Stand wie der Blitz losschoss. Immer der Nase nach, dem Aasgeruch folgend.
In Sekundenschnelle tauchte der Cockerspaniel in das dichte Unterholz ein, das den Forstweg s