„Wenn wir uns stark verwandeln, dann werden unsere Freunde, die nicht verwandelten, zu Gespenstern unserer eigenen Vergangenheit.“
FRIEDRICHNIETZSCHE
Harmonie statt Veränderung?
Trügerische Harmonie
Die Tendenz zur Konsonanz wirkt nicht nur nach Entscheidungen, damit diese im Nachhinein gerechtfertigt werden. Sie wirkt auch, und das kann eine Falle darstellen, um Harmonie vorzugaukeln und notwendige Verhaltensänderungen zu verhindern.
In meiner Tätigkeit als Verkehrspsychologe führte ich Trainings für Kraftfahrer durch, die die Lenkberechtigung wegen Fahrens in alkoholisiertem Zustand verloren hatten. Die Eigenart dieser Klientel besteht darin, dass sie in aller Regel mit ihrem Trinkverhalten recht zufrieden und in ihrer sozialen Umgebung damit durchaus angepasst ist. Von dort kamen daher höchst selten Änderungsimpulse. Alles wäre in schönster Harmonie, würde die Behörde nicht darauf bestehen, dass Trinken und Fahren getrennt werden müssen. Mit Beruhigungspillen wie: „Ich bin schon oft in einem solchen Zustand gefahren, und es ist noch nie etwas passiert“, „Meine Freunde machen es auch nicht anders“, oder „Ich habe eine so tolle Reaktionsfähigkeit, dass ich auch noch in angeheitertem Zustand sicher fahren kann“ wird die Illusion aufrechterhalten, man könne doch beides tun, trinken und fahren. Voraussetzung für eine Änderungsbereitschaft ist jedoch die Einsicht, dass ein Konflikt zwischen zwei Kognitionen besteht, hier zwischen dem Trinkverhalten und dem Wunsch, ein Auto zu lenken. Doch gerade diese Einsicht wird durch Harmonisierungsprozesse verhindert.
Eine Spielwiese gelungener oder auch trügerischer Harmonisierung sind Paarbeziehungen. Für das längerfristige Beziehungsglück ist es wesentlich, dass Paare mit ähnlichen Vorstellungen, wie dieser Zustand erreicht oder bewahrt werden kann, in ihr gemeinsames Leben starten. Man kann sich leicht ausmalen, dass Probleme in der Beziehung auftreten werden, wenn etwa der Wunsch, viel Zeit miteinander zu verbringen, auf das Bedürfnis trifft, möglichst viel Freiraum zu haben. Doch es kommt nicht nur darauf an, ob es Differenzen in den Beziehungskonzepten gibt, sondern auch darauf, wie man damit umgeht. Untersuchungen zeigen, dass es dabei deutliche Geschlechtsunterschiede gibt. Männer tendieren dazu, über solche Differenzen hinwegzusehen. Man könnte auch sagen, dass sie versuchen, widersprüchliche Auffassungen zu harmonisieren und die Überzeugung aufrechtzuerhalten: „Wir führen eine glückliche Ehe“, auch wenn es unter der Oberfläche bereits erhebliche Spannungen gibt. Manche Autoren sprechen den Männern wegen deren Harmonisierungstendenzen überhaupt die Fähigkeit ab, als Barometer für die Beziehungszufriedenheit zu fungieren. Das trauen sie schon eher Frauen zu, denen sie eine pragmatischere und weniger romantische Sicht auf ihre Zweisamkeit attestieren (siehe Hassebrauck, S. 191).
Männer tendieren also dazu, unterschiedliche Auffassungen (und auch tatsächliche Umsetzungen) von Partnerschaft zu retuschieren, während Frauen eher bereit sind, vorhandene Konflikte zu sehen und die Konsequenzen daraus zu ziehen. Und so kommt es, dass Männer häufig aus allen selbstgebastelten Wolken fallen, wenn ihnen die Partnerin eröffnet, die Beziehung auflösen zu wollen. Mittlerweile werden mehr als die Hälfte der Scheidungen von Frauen eingereicht.
Diese bevorzugt von Männern praktizierten Harmonisierungstendenzen können durchaus geeignet sein, eine Krise „ausz