1. KAPITEL
König Rafiq ibn Fayiz Mehdi besaß einen scharfen Verstand, große Macht und beeindruckenden Reichtum. Doch nichts davon hatte geholfen, eine schreckliche Tragödie zu verhindern – eine Tragödie, für die er sich teilweise verantwortlich fühlte.
Bei Sonnenuntergang stand er auf der Dachterrasse des Palasts und blickte über die Landschaft, die sich vor ihm erstreckte. Das abwechslungsreiche Terrain, das er einst geliebt hatte, schien jetzt bedrohlich und beschwor schreckliche Erinnerungen herauf.
Eine dunkle, kurvenreiche Straße um Mitternacht. Totenstille und Grauen. Scheinwerfer strahlten eine Klippe an, Metalltrümmer …
„Wenn du glaubst, du könntest Berge versetzen, indem du sie anstarrst, dann kann ich dir sagen, dass es nicht funktionieren wird.“
Beim Klang der vertrauten Stimme drehte Rafiq sich um und erblickte seinen Bruder. „Warum bist du hier?“
Zain trat zu Rafiq. „Begrüßt du so den Mann, der dir vor über einem Jahr so großzügig den Thron überlassen hat?“ Den Mann, der aus Liebe auf den Thron verzichtet hatte.
„Entschuldige, Bruder. Ich habe dich erst in einem Monat erwartet.“
„Da die ersten Vorbereitungen für das Wasserschutzprojekt abgeschlossen sind, dachte ich, es ist der richtige Zeitpunkt für meine Rückkehr.“
Unter normalen Umständen würde er sich über Zains Gesellschaft freuen. In letzter Zeit allerdings zog er das Alleinsein vor. „Bist du allein?“
„Natürlich nicht“, antwortete Zain leicht gereizt. „Ich reise nur ohne meine Familie, wenn es absolut notwendig ist.“
„Dann ist Madison also bei dir?“
„Ja, sie und die Kinder. Endlich lernst du deine Nichte und deinen Neffen kennen.“
Rafiq teilte Zains Enthusiasmus nicht. Die Anwesenheit von zwei Kindern würde ihn nur daran erinnern, was er verloren hatte. „Wo sind die Kinder?“
„Madison und Elena kümmern sich um sie.“
Zumindest konnte er das Kennenlernen noch etwas hinausschieben. „Ich bin froh, dass du Elena wieder dorthin gebracht hast, wo sie hingehört. Der Haushalt läuft ohne sie nicht gut.“
„Das habe ich gehört“, sagte Zain. „Ich habe auch gehört, dass du Gefahr läufst, eine Palastrevolution unter den Angestellten auszulösen, wenn du sie weiter so terrorisierst.“
„Ich habe die Angestellten nicht terrorisiert. Ich habe sie nur korrigiert, wenn es nötig war.“
„So viel ich weiß, hast du es für notwendig gehalten, sie täglich zukorrigieren, Bruderherz. Ich habe auch gehört, dass du in der Ratsversammlung genervt und aufbrausend bist.“
Rafiq fragte sich langsam, was der wirkliche Grund für Zains überraschendes Erscheinen war. „Hast du mit unserem jüngeren Bruder gesprochen?“
„Ich hatte gelegentlich Kontakt zu Adan.“
„Und ganz offensichtlich habt ihr über mich geredet.“
„Er hat nur gesagt, dass du seit Rimas Tod schwere Zeiten durchmachst, Rafiq.“
Sein Verdacht bestätigte sich – Zain war früher zurückgekehrt als geplant, um sein Kindermädchen zu spielen.
„Wir wissen, wie furchtbar es für dich sein muss, deine Frau und das ungeborene Kind verloren …“
„Wie könntest du das verstehen?“ Niemand, der es nicht selbst erlebt hatte, konnte die ständigen Schuldgefühle verstehen. „Du hast eine Frau und zwei gesunde Kinder.“
„Wie ich bereits sagte“, fuhr Zain fort, „ist es verständlich, dass du immer noch Groll hegst, zumal so viele Fragen den Unfall betreffend unbeantwortet sind. Dennoch, dein aufbrausendes Verhalten stiftet Unruhe. Du solltest über eine Auszeit nachdenken.“
Unmöglich und u