1. KAPITEL
Zarif langweilte sich. Er war seiner derzeitigen Geliebten ganz einfach überdrüssig, egal, wie schön und erfindungsreich sie auch sein mochte. Gerade posierte die Dame in seinem Bett vor dem großen Spiegel und begutachtete die neue funkelnde Rubinkette um ihren Hals. „Sie ist wunderschön“, hauchte sie bewundernd. „Danke. Du bist wirklich zu großzügig!“
Lena war nicht auf den Kopf gefallen. Sie wusste genau, dass die Kette ein Abschiedsgeschenk war. Klaglos würde sie nun Zarifs luxuriöses Apartment in Dubai verlassen – und versuchen, sich den nächsten reichen Mann zu angeln.
Zarif zog im Schlafzimmer Amateurinnen Professionelle vor, machte sich jedoch kaum Illusionen, was die Moral dieser Frauen anging. Er bot ihnen für eine Weile den Luxus, die angenehmen Dinge des Lebens zu genießen, während sie ihm ein Ventil für seine stark ausgeprägte Libido verschafften. Außerdem achteten sie seinen Wunsch nach Diskretion, weil sie wussten, dass es sich rächen würde, sich mit Klatsch über ihre Beziehung zu ihm an die Medien zu wenden.
Zarif musste mehr als andere Männer sein Ansehen in der Öffentlichkeit wahren. Er war schon seit seinem zwölften Lebensjahr König von Vashir. Sein Onkel hatte die Regierung innegehabt, bis Zarif volljährig geworden war – der vorerst Letzte einer langen Reihe von Herrschern auf dem Smaragdthron im alten Palast. Vashir war reich an Öl, aber sehr konservativ. Immer, wenn Zarif versuchte, sein Land ins einundzwanzigste Jahrhundert zu führen, bekam sein sich aus zwölf alten Stammesfürsten zusammensetzender Rat Panik und bat ihn, seine Entscheidung noch mal zu überdenken.
„Willst du heiraten?“, fragte Lena ihn impulsiv und sah ihn dann reumütig an. „Tut mir leid, das geht mich natürlich nichts an.“
„Noch nicht, aber bald“, antwortete Zarif kurz angebunden, zog sein Jackett glatt und wandte sich ab.
„Viel Glück“, sagte Lena. „Deine Zukünftige kann sich glücklich schätzen.“
Zarif runzelte immer noch irritiert die Stirn, als er den Fahrstuhl betrat. Wenn es um Ehe oder Kinder ging, hatten seine Vorfahren stets ausgesprochen wenig Glück gehabt. Die Liebesehen waren genauso schlecht gewesen wie die Vernunftehen, und nur sehr wenige Kinder waren geboren worden.
Da auch Zarif Einzelkind war, konnte er sich dem öffentlichen Druck, zu heiraten und einen Erben zu zeugen, nicht länger widersetzen. Mit seinen neunundzwanzig Jahren war er nur deshalb noch Single, weil er Witwer war. Seine Frau Azel und sein kleiner Sohn Firas waren vor sieben Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen.
Zarif rechnete nicht damit, sich je von diesem Verlust zu erholen. Bislang respektierten seine Landsleute sein Recht zu trauern, aber ihm war bewusst, dass er seine Pflichten nicht ewig vernachlässigen konnte, und dazu gehörte, den Fortbestand seiner Dynastie zu sichern. Trotzdem widerstrebte ihm die Vorstellung zu heiraten. Es gefiel ihm, allein zu sein; er mochte sein Leben so, wie es war.
Ein Privatjet brachte Zarif nach Vashir zurück. Bevor er von Bord ging, streifte er sich eine lange weiße Tunika, einen beigen Mantel und eine mit einer Kordel gehaltene Kopfbedeckung über – die traditionelle Kleidung seines Landes, die er gleich für die feierliche Eröffnung eines neuen Museums im Stadtzentrum brauchte. Erst nach seinem Erscheinen dort würde er in den alten Palast zurückkehren können, ein langgestrecktes Gebäude, das inmitten üppiger duftender Gärten lag. Das alte Bauwerk war vor einiger Zeit durch einen nagelneuen Riesenpalast auf der anderen Seite der Stadt ersetzt worden, der jedoch bisher nur als offizielles Regierungszentrum fungierte. Zarif hing an dem alten Gemäuer, in dem er aufgewachsen war.
Außerdem verbrachte dort auch sein geliebter Onkel Halim seine letzten Lebensmonate, und Zarif wollte dem todkranken Mann so oft wie möglich zur Seite stehen. Halim war ihm in mehrfacher Hinsicht der Vater gewesen, den Zarif nie kennengelernt hatte – ein sanfter stiller Mann, der ihm alles Entscheidende über Verhandlungstaktik, Selbstdisziplin und Staatskunst beigebracht hatte.
Zu Zarifs Überraschung wartete sein Manager Yaman in seinem Büro auf ihn. „Was führt Sie hierher?“, fragte Zarif beim Anblick des mittelalten Mannes überrascht. Yaman kam nur selten unangemeldet vorbei. Anders als Zarifs Halbbrüder Nik und Cristo, die sich einen Namen als Finanzhaie gemacht hatten, interessierte Zarif sich nämlich nicht für Geschäftliches. Vashir war schon lange vor seiner Geburt durch Öl reich geworden, und er war völlig selbstverständlich mit diesem Reichtum aufgewachsen. Yaman und sein Team sorgten für dessen Erhalt.
„Es gibt da eine Angelegenheit, auf die ich Sie aufmerksam machen wollte“, teilte Yaman ihm ernst mit.
„Natürlich. Was ist los?“, fragte Zarif. Er lehnte sich gegen die Schreibtischkante und sah seinen Verwalter erwartungsvoll an.
Dem Buchhalter stand sein Unbehagen deutlich ins Gesicht geschrieben. „Es geht um einen persönlichen Kredit, den Sie vor drei Jahren einem Freund gewährt haben … Jason Gilchrist.“
Zarif versteifte sich bei der Erwähnung dieses Namens. Doch nicht das Gesicht seines früheren Freundes tauchte vor seinem inneren