1. KAPITEL
„Was soll das heißen, du hast es verloren?“ Angelique starrte ihren Vater schockiert an.
Henri Marchand zuckte gleichmütig die Achseln, doch sein Adamsapfel hüpfte auf und ab, als müsse er etwas Widerliches schlucken. Tarrantloch, den schottischen Familiensitz von Angeliques verstorbener Mutter, bei einem Pokerspiel in Las Vegas zu verlieren, war allerdings auch verdammt bitter.
„Remy Caffarelli hat so getan, als hätte er eine Pechsträhne“, verteidigte Henri sich. „Er verlor ein Spiel nach dem anderen. Ich wollte ihn ein für alle Mal fertigmachen, aber im alles entscheidenden Spiel hat er mich plötzlich ausgebootet.“
Angelique überlief es eiskalt. Gleichzeitig begann ihr das Blut in den Adern zu kochen. „Jetzt sag nicht, du hast Tarrantloch an Remy Caffarelli verloren!“ Dieser Mann war ihr erbitterter Feind. Der einzige Mann, mit dem sie absolut nichts zu tun haben wollte – noch nicht mal in Gedanken!
„Ich werde alles zurückgewinnen“, verkündete ihr unbelehrbarer Vater im Brustton der Überzeugung. „Ich fordere ihn zu einem weiteren Spiel mit noch höherem Einsatz heraus. Er beißt bestimmt an.“
„Willst du etwa noch mehr verlieren?“ Aufgebracht sah Angelique ihren Vater an. „Remy Caffarelli hat dich reingelegt, kapierst du das denn nicht? Er hat es schon lange auf dich abgesehen, seit der Sache mit seinem Großvater damals. Und dann hast du auch noch Remys Hotelprojekt in Spanien sabotiert! Wie hast du nur auf einen so billigen Trick hereinfallen können?“
„Das nächste Mal bin ich derjenige, der ihn reinlegt, du wirst schon sehen. Er hält sich immer für besonders clever, aber ich werde ihn genau dort treffen, wo es richtig wehtut.“
Angelique verdrehte verächtlich die Augen und wandte sich ab. Ihr Magen fühlte sich an, als hätte man ihn mit einem rostigen Löffel ausgekratzt. Wie hatte ihr Vater nur den geliebten Familiensitz ihrer Mutter an Remy Caffarelli verwetten können? Dabei gehörte Tarrantloch ihm doch gar nicht! Es war Teil des Treuhandfonds, der ihr mit fünfundzwanzig Jahren übereignet werden sollte – in weniger als einem Jahr.
Ihr Heiligtum. Ihr Refugium. Der einzige Ort, an den sie sich zurückziehen konnte, ohne von Paparazzi verfolgt zu werden.
Weg. Verloren. Verspielt.
Und zu allem Überfluss auch noch an ihren Erzfeind!
Remy frohlockte bestimmt! Sie konnte förmlich vor sich sehen, wie er die sinnlichen Lippen zu einem selbstgefälligen Lächeln verzog und seine espressoschwarzen Augen triumphierend glitzerten. Mit Sicherheit stolzierte er in ganz Europa herum und erzählte allen, dass er es Henri Marchand endlich heimgezahlt hatte.
Ihr Vater und die Caffarellis waren seit zehn Jahren erbitterte Feinde. Bis dahin waren Remys Großvater Vittorio und Henri Geschäftspartner und Freunde gewesen. Doch dann musste irgendetwas zwischen den beiden vorgefallen sein. Henri hatte in letzter Minute die Finanzierung einer wichtigen geschäftlichen Transaktion der Caffarellis platzen lassen und deren Imperium damit in große Gefahr gebracht. Seitdem hatten die beiden Männer kein Wort mehr miteinander gewechselt.
Angelique hatte schon länger damit gerechnet, dass ausgerechnet Remy sich an ihrem Vater rächen würde. Vermutlich, weil er sich damit den Respekt seines Großvaters verschaffen wollte. Das war bislang noch keinem der drei Caffarelli-Brüder gelungen, obwohl gerade Remys ältere Brüder unglaublich erfolgreiche Geschäftsleute waren.
Doch Angelique war schon vor dem Bruch zwischen ihren beiden Familien immer wieder mit Remy aneinandergeraten. Seine Arroganz und Überheblichkeit waren ihr auf die Nerven gegangen, während er ihr vorgeworfen hatte, süchtig nach Aufmerksamkeit zu sein. Die acht Jahre Altersunterschied zwischen ihnen hatte ihr Verhältnis nicht einfacher gemacht. Allerdings musste Angelique zugeben, dass sie damals ziemlich schwierig im Umgang gewesen war – vor allem nach dem Tod ihrer Mutter.
Sie drehte sich wieder zu ihrem Vater um, der seine Niederlage gerade mit einem großen Glas Brandy herunterspülte. „Mom dreht sich bestimmt im Grab um – und ihre Eltern und Großeltern gleich mit. Wie konntest du nur so …dumm sein?“
Henris Blick wurde eisig. Wütend presste er die dünnen Lippen zusammen. „Pass gut auf, was du sagst, junge Dame“, sagte er drohend. „Ich bin dein Vater. Du sprichst gefälligst nicht mit mir, als sei ich ein Idiot.“
Angelique straffte die Schultern. „Und was willst du dagegen tun? Mich beschimpfen, so wie Mom? Mich verbal und emotional missbrauchen, bis ich eine Überdosis Schlaftabletten schlucke, nur um dich endlich loszuwerden?“
Ein unheilvolles Schweigen erfüllte den Raum.
Angelique wusste, wie gefährlich es war, ihren Vater zu verstimmen.
Das Unaussprechliche auszusprechen.
Ihre ganze Kindheit hindurch war sie auf Zehenspitzen um ihn herumgeschlichen, um nur ja nicht seinen Zorn zu erregen. Sie hatte mit ansehen müssen, wie er d