PROLOG
Zehn Jahre zuvor, Campus der Hillbrook Universität,
Upstate New York …
„Das hört sich wirklich toll an, Marnie, aber Carter und Missy sollten sich von all den Grandiositäten der Hochzeit nicht vom Wesentlichen ablenken lassen – nämlich dass sie sich lieben.“
Durch den betäubenden Duft der Hyazinthen, der um die Terrasse wehte, und den Nebel, der sich nach einem Glas Champagner zu viel um ihren Kopf gelegt hatte, drangen Reeses warnende Worte in Gina Carringtons Gedanken – was ihrer trüben Stimmung nicht unbedingt half.
Könnten wir bitte endlich das Thema wechseln?
Seit Tagen schon fühlte sie diese Leere in der Brust. Seit sie den größten Fehler ihres Lebens begangen hatte, und das wollte etwas heißen bei einem Leben voller Fehler.
„Das ist bestimmt kein Problem. Die beiden sind so tief miteinander verbunden, und das seit Jahren. Als Carter ihr den Antrag gemacht hat, sind Missy und ich die ganze Nacht aufgeblieben und haben darüber geredet, wie wunderbar es wird, wenn wir praktisch für immer Schwestern werden.“ Marnie lachte leise, und der melodische Laut schnitt durch Ginas Kopf wie ein rostiges Messer.
Schon komisch – früher hatte Marnies Lachen ihr gefallen. Anfangs, als Marnie an die Hillbrook gekommen war, war sie unsicher und viel zu ernst gewesen. Es hatte eine Weile gedauert, bevor ihnen allen klar geworden war, dass Marnies perfektes Südstaatengehabe nur ein Mittel war, um ihre Angst zu verschleiern. Und als Marnie mit der Zeit immer selbstbewusster geworden war, hatte ihr rauchiges Lachen für Gina die Emanzipation von der Familie symbolisiert, die Marnie selbst als „die Familie, die vom Feminismus übersehen wurde“ bezeichnete.
„Und wie sieht Missys Kleid aus?“, fragte Reese.
„Ein Traum“, schnurrte Marnie, der Südstaatenakzent zäher als Sirup. „Elfenbeinfarbene Seide, ganz traditionell.“ Sie lächelte Gina an. „Ich weiß, nicht alle hier sind der gleichen Meinung, aber Missy und Carter haben beschlossen, bis nach der Hochzeit zu warten.“
Wie schön!
Gina saß der Magen im Hals, als sie sich vorlehnte und ihr leeres Glas heftiger als nötig auf den Tisch stellte. „Wer holt die nächste Flasche? Ich glaube nicht, dass ich mir ohne alkoholische Stärkung noch mehr über die junge Liebe anhören kann.“
Cassie sprang vom Geländer. „Ich bin wohl an der Reihe“, sagte sie mit ihrem breiten australischen Akzent und warf Gina einen völlig neutralen Blick zu, bei dem Gina sich nur noch miserabler fühlte.
Nur Cassie wusste, was vor einer Woche passiert war, als Marnies großer Bruder Carter Price zu Besuch gekommen war. Und in ihrer typischen nüchternen Art hatte sie das Ganze sehr pragmatisch gesehen:Ich verstehe nicht, warum du dich schuldig fühlen solltest. Er ist doch derjenige, der verlobt ist und demnächst heiraten wird.
Zwar würde Cassie sie nie verurteilen, aber das war nur ein schwacher Trost, da schon einiges falsch laufen musste, bevor das Superhirn Cassie etwas merkte. Solange es nicht um Gammastrahlen oder astronomische Konstellationen ging, schaltete sie bei Small Talk immer ab.
Gina spürte Marnies Blick. Vermutlich fragte die Freundin sich, warum Gina ein solcher Miesmacher w