1. KAPITEL
Als die Linienmaschine aus London auf dem Rollfeld des Nassau International Airport aufsetzte, war Dr. Karen Summers’ Expeditionskasse bereits auf besorgniserregende Weise zusammengeschrumpft. Allein der Flug von England auf die Bahamas hatte ein kleines Vermögen verschlungen. Weit mehr, als Karen sich angesichts des schmalen Budgets, das ihr von der Universität zur Verfügung gestellt worden war, eigentlich leisten konnte. Und das, obwohl die Billigairline, für die sie sich aus Kostengründen entschieden hatte, die Atlantik-Überquerung für einen Bruchteil dessen anbot, was andere Fluggesellschaften verlangten.
Um sich von den unbequemen Sitzen, dem miesen Kantinenessen und der mangelnden Bewegungsfreiheit abzulenken, hatte Karen sich immer wieder ihre Unterlagen vorgenommen und alles noch einmal ganz genau durchgerechnet. Leider jedes Mal mit demselben ernüchternden Ergebnis.
Beim Landeanflug hatte sie der Anblick von türkisblauem Wasser und Palmen jedoch für einige kurze Momente alle Sorgen und Probleme vergessen lassen. Doch spätestens, als sie mit ihrem Trolley aus der klimatisierten Empfangshalle des Flughafens in die subtropische Hitze trat, wurde ihr klar, auf was für ein verrücktes Abenteuer sie sich eingelassen hatte.
In ihrem viel zu warmen, eher für das Londoner Regenwetter geeignetem Outfit brach ihr sofort der Schweiß aus. Ihr schulterlanges, haselnussbraunes Haar klebte unangenehm im Nacken, und sie verspürte den dringenden Wunsch, sich ihre Stiefel, die sich bereits wie kleine Brutkästen anfühlten, von den Füßen zu ziehen. Sie streifte den Blazer ab und legte ihn sich über die Armbeuge.
Schon viel besser!
Zum Glück hatte sie sich bereits von zu Hause aus um ein günstiges Zimmer in einer kleinen Pension gekümmert. Deshalb musste sie sich jetzt erst einmal nur ins Taxi setzen und dem Fahrer den Namen des Hotels nennen. Natürlich war das Auto nicht klimatisiert, und trotz heruntergelassenem Fenster regte sich kaum ein Lüftchen, da sie nicht in Fahrt kamen. Der Verkehr stockte und es ging kaum mehr vorwärts. Das Taxameter tickte währenddessen ungerührt weiter.
Wunderbar! Das geht ja wirklich gut los!
Karen fuhr sich mit der flachen Hand über die Stirn. Sie war müde und gereizt; kein Wunder nach dem langen Flug und bei dieser ungewohnten Hitze. Ihr Spiegelbild im Seitenfenster des Taxis zu sehen, half auch nicht gerade dabei, ihre Stimmung zu verbessern.
Sie sah unglaublich müde aus. Nicht einmal die großen Gläser ihrer Brille vermochten die dunklen Ringe unter ihren Augen zu verbergen. Unordentlich umrahmten einige wirre Strähnen ihr schmales Gesicht. Sie kramte ein Gummiband aus der Innentasche ihres Blazers hervor und fasste ihr Haar am Hinterkopf zu einem Pferdeschwanz zusammen – mit dem Ergebnis, dass es sie noch strenger aussehen ließ, als es ohnehin bereits der Fall war.
Was soll’s? Bei dir ist ohnehin Hopfen und Malz verloren – was bemühst du dich überhaupt? Und für wen?
Im Grunde war alles genau so gelaufen wie geplant.
Sie fuhren vorbei an riesigen Luxushotels, die direkt am Strand gebaut worden waren. Das Wasser des Ozeans funkelte in einem fast schon unwirklichen Türkisblau, wie Karen es nur von Postkarten aus traumhaften Ferienzielen kannte, die ihr hin und wieder in den Briefkasten flatterten.
Und die Bahamas waren nun einmal ein exotisches Urlaubsparadies. Zumindest für die zahllosen Touristen, die jeden Tag auf die Karibikinseln strömten – nicht aber für Karen.
Als der Taxifahrer schließlich vor einem modernen Gebäude anhielt ganz in der Nähe des Prince-George-Anlegers,